Full text: Landeskunde des Königreiches Sachsen. Ausgabe A.

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genommen und nach vollendeter Lehrzeit freigesprochen. Der Geselle 
wanderte in die Ferne und machte sein Meisterstück, um dann als 
ebenbürtiges Glied in die Innung zu treten, die ihre eigene Formel 
des Grußes, ihre Wappen und Banner im Festzuge, ihren Stand in 
der Kirche und vor allem ihre Handwerksehre besaß. Auch die Nähe 
des Klosters mit den vielseitigen Bedürfnissen der Mönche und Gäste 
diente dazu, das Gewerbe von Roßwein zu heben. Eine stattliche 
Kirche und eine gelehrte Schule bezeugten gar bald den Wohlstand 
der Bürger. Leider ist dieser durch Kriegsnot und wiederholte Brände 
arg geschädigt worden. Aber auch Roßwein hat sich durch den Neu- 
bau der Häuser, die Regsamkeit der Bürger, die Hilfskraft der 
Mulde, die Verkehrslinien des Dampfes und die Fruchtbarkeit der 
Umgebung wieder zu einem tüchtigen Geschäftsbetriebe, besonders in 
der Schlosserei, erhoben — es war und ist der Gewerbsort 
im Tal. 
4. Folgen wir dem Flusse auf der rechten Uferhöhe weiter, so 
gelangen wir, nachdem wir den Einfluß der Striegis gesehen, bald 
zu einer Stelle, wo er sich — ganz ähnlich wie bei Nossen — wieder 
entschieden westwärts wendet. Die geschlossene Wasserader teilt sich 
nun in zwei Arme, dic eine schöne Wiesenaue umfließen. Ein 
weiter Talkessel öffnet sich nach Westen hin, bewaldete Höhen um- 
ziehen ihn, das Wasser tränkt ihn, Getreide entsproßt ihm, und der 
Obstbaum überdeckt ihn mit seinem Gezweige. Alles atmet Leben 
und üppige Fruchtbarkeit. Aus dem Grün der Gärten leuchten die 
Hänser der Stadt Döbelu (18 T.) hervor, die sich nun — in diesem 
Sinne ein Kleinparis — sowohl auf der Insel als auch auf beiden 
Seiten der Flußarme ausbreitet. Schon der Name des Ortes will 
uns an die große Ergiebigkeit des Bodens mahnen; denn Döbeln 
bedentet „gutes Land"“. Die Erzengnisse des guten Landes, das 
nährende Korn und das stattliche Zuchtvieh, werden auf den Markt des 
Ortes zum Verkaufe gebracht. In dem Gewerbebetriebe stellt es sich 
der Stadt Roßwein zur Seite. Die Hüte Döbelns wurden sogar in 
einem italienischen Gedichte gerühmt, und die „Schuhknechte“ besaßen 
in der Hauptkirche einen besonderen Altar und einen Abendmahlskelch. 
In der Fabrikation aber hat es seine Nachbarstadt bei weitem über- 
flügelt. Die Blätter des einheimischen und ausländischen Tabaks 
wickelt es zur Zigarre. Es wäscht in der Zuckerfabrik die Rübe, 
schneidet sie in kleine Streifen, kocht den Saft aus, siedet ihn ein, 
reinigt ihn mit Knochenkohle und läßt ihn kristallisieren, um daun 
das bräunliche Mehl des Rübenzuckers zu gewinnen. Die Hölzer 
der Umgegend und der benachbarten Länder fügt es zu einfachen 
Fässern für den Wirtschafts= und Fabrikgebrauch, oder auch zu kunst- 
volleren Gehäusen zusammen, in denen sich die Saiten spannen, und 
die dann als Flügel oder Pianos die Musik in das Haus tragen. 
So wurzelt Döbeln mit seiner Landwirtschaft in der 
fruchtbaren Gegend, mit der blühenden Landwirtschaft 
aber verknüpft sich das Gewerbe, aus dem Gewerbe aber
	        
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