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Deutschland.
wurde ihm weder damals noch im Laufe der später wieder aufgenommenen
sehr lange andauernden Verhandlungen zwischen Preußen und Frankreich
irgend eine Erwiderung zu Theil, bis ihm die am 29. März d. J. zu
Berlin paraphirten Vereinbarungen mitgetheilt wurden, Vereinbarungen, in
welchen alle jene Bestimmungen enthalten sind, deren Fern—
haltung im Interesse der Aufrechthaltung und Fortbildung
der engen Handelsbeziehungen zwischen Oesterreich und
dem Zollvereine die kaiserliche Regierung bevorwortet
hatte. Die Zollbegünstigungen, welche diese Verträge Frankreich gewähren,
sind von solcher Art, daß sie Oesterreich zu einer tief greifenden Reform des
1853 vereinbarten Zwischenzolltarifs für den Verkehr mit dem Zollvereine
nöthigen, und daß sie — entgegen dem Zwecke und Wortlaute des Ver-
trages vom 19. Februar 1853 und ungeachtet die kaiserliche Regierung nie-
mals ihre Geneigtheit verleugnet hat, zu zeitgemäßen Fortschritten der
Handelspolitik die Hand zu bieten — alle Möglichkeit der Fortbildung des
Februarvertrages und der Zolleinigung zwischen Oesterreich und dem Zoll-
vereine abschneiden. Selbst für die bloße Fortsetzung dieses Vertrages ent-
fiele im Falle der Genehmigung des preußisch-französischen Abkommens
jeder Grund und Zweck, da alsdann keiner der beiden Zollkörper dem andern
Begünstigungen einräumen könnte; der Zollverein nicht, weil er sich dieses
Rechts grundsätzlich begeben, und weil die allgemeinen vereinsländischen
Zölle weit geringer sein würden, als es jetzt die Begünstigungszölle sind;
Oesterreich nicht, weil Zugeständnisse an den Zollverein mit Rücksicht auf
dessen niedrige Außenzölle nur durch die Annahme eines gleichen Freihandels-
tarifs für Oesterreich ermöglicht werden könnten. Im Augenblicke des Ab-
schlusses des Vertrages mit Frankreich von Seite des Zollvereins und der
Verlängerung des Zollvereins auf solcher Grundlage wäre daher Oester-
reich von dem übrigen Deutschland in handelspolitischer
Beziehung faktisch und prinzipiell losgetrennt." Das Memo-
randum geht sodann auf eine Beurtheilung der vom Grafen Bernstorff
geltend gemachten Motive ein, deren illusorische Bedeutung nachweisend;
namentlich wird der Vorwand, als sei die Nothwendigkeit einer Reform
des Zollvereinstarifs ein Motiv des Vertragsabschlusses, als ein eitler hin-
gestellt. Weiter erwidert Graf Rechberg auf die Bemerkung des Grafen
Bernstorff: daß die niedrigeren Zollsätze dem österreichischen Handel zu Gute
kommen werden, daß „die Theilnahme an den Vortheilen Aller weder
politisch noch ökonomisch“ für Oesterreich einen Ersatz für die im Februar-
Vertrage begründete „gegenseitige Bevorzugung und Einigung“ bieten.
Uebrigens zeige sich in den Zollermäßigungen durchaus keine besondere Be-
rücksichtigung österreichischer Interessen, sondern „eher das Gegentheil“. Den
preußischen Bemerkungen über die Durchfuhrzölle setzt Graf Rechberg die
Antwort entgegen, daß dem Reichsrath bereits ein Gesetzentwurf zur Auf-
hebung der Durchfuhrzölle vorgelegt sei, und daß Preußen, als Oesterreich
diese Maßregel proponirte, nicht einmal gegen Entgelt im Vereine mit
Oesterreich thun wollte, was es nun selbstständig in's Werk gesetzt. Auf
die Insinuation der Bernstorff'schen Depesche, daß Oesterreich, im Falle der
Annahme des Vertrages mit Frankreich von Seite des gesammten Zoll-
vereins, statt von dem vertragsmäßigen Rechte der Erhöhung seiner Zwischen-
zölle gegen den Zollverein in vollem Umfange Gebrauch zu machen, lieber
seine Außenzölle ermäßige, wird erwidert: „Das kaiserl. Kabinet verkennt
nicht, daß in dem vorausgesetzten Falle längs der ganzen Westgrenze Oester-
reichs von Krakau bis zum Splügen und von da hinab zu den Mündungen
des Po das Freihandelssystem zur vollen Geltung gelangt sein würde,
und daß, gegenüber den niedrigen Zollsätzen des letzteren, für Oesterreich
die Rückkehr zu seinen früheren Prohibitionen und prohibitiven Zöllen,
wenn sie wirklich in seiner Absicht liegen würde, und vielfach selbst die