Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

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Deutschland. 
zu ersuchen, das nach Maßgabe neuerlich ergangener Verordnungen 
eingeleitete landständische Wahlverfahren zu sistiren, um nicht der 
schwebenden Verhandlung am Bunde über den österr.-preuß. An- 
trag vom 8. März zu präjudiciren“. Oesterreich trägt darauf an, 
wegen der Dringlichkeit des Gegenstandes den Antrag nicht erst 
an den betreffenden Ausschuß zu überweisen, sondern sofort zur 
Abstimmung zu bringen. Die Mehrheit der Bundesversammlung 
beschließt jedoch, den Antrag erst in der nächsten Sitzung zu behandeln. 
11. Mai. (Preußen). Da die Bundesversammlung in ihrer außer- 
 
  
ordentlichen Sitzung vom 10. Mai dem Verlangen Preußens nicht 
entsprochen, so geht General Willisen in außerordentlicher Mission 
mit einem eigenhändigen Schreiben des Königs von Preußen an den 
Kurfürsten nach Kassel ab. 
12. (Kurhessen). Empfang des General Willisen in Kassel. 
Preußen erblickt in der Art desselben eine Beleidigung seines 
Staatsoberhaupts. 
(Württemberg). Adresse der Kammer der Standesherren an 
den König: 
„„. . Wichtig und tiefeingreifend, liefern die Vorlagen Ihrer Regierung 
einen neuen Beweis von der unermüdlichen Sorge Euer königl. Majestät, 
sowohl die inneren Verhältuisse des Landes in immer umfassenderer Weise 
zu ordnen und den Bedürfnissen und Wünschen Ihrer getreuen Unterthanen 
gerecht zu werden, als auch die Bande, welche die einzelnen Stämme unseres 
großen deutschen Vaterlandes unter sich verknüpfen, durch weitere Entwick- 
lung der Bundesverfassung, durch Schaffung gemeinsamer Gesetze und durch 
Erweiterung der Verkehrsverbindungen fester zu ziehen und in dieser Weise 
zu derjenigen Einigung zu gelangen, welche das berechtigte Ziel aller Freunde 
des Vaterlandes bildet. Wir hegen den sehnlichsten Wunsch, daß es der 
hohen Weisheit Euer königl. Majestät gelingen möge, den so mannigfach 
hervortretenden Drang nach Verbesserung der inneren Zustände des deutschen 
Vaterlandes in einer dem wahren Wohl desselben entsprechenden Weise zu 
befriedigen“. 
Antwort des Königs: „Empfangen Sie meinen Dank für die ebenso 
patriotischen wie ächt deutschen Gesinnungen. Ihr Vertrauen in Meine 
Regierungsgrundsätze wird mit gleichem Vertrauen von Meiner Seite er- 
widert. Wenn Ich mit wohlwollender Zufriedenheit den Ausdruck Ihrer 
getreuen Gesinnungen entgegennehme, so sind Aeußerungen von anderer Seite 
nicht geeignet, Meine Beistimmung zu erhalten. Eingedenk der Sorgen 
unserer engeren Verhältnisse, eingedenk der obwaltenden Mißverständnisse in 
Deuschland, unserem gemeinschaftlichem Vaterlande, habe Ich mit Recht zu 
erwarten, daß in Uebereinstimmung mit den Ständen, mit vereinten Kräften 
und in festem Vertrauen auf Meine Regierungsgrundsätze die wichtigen 
Entschlüsse, die wir zu fassen haben, zum erwünschten Ziele für das Wohl 
unseres Vaterlandes führen werden. In Meiner nun bald 46jährigen 
Regierung habe Ich sehr schwierige Zeiten erlebt; unter dem Schutze der 
göttlichen Vorsehung und dem Vertrauen auf den Rechtssinn Meiner ge- 
liebten Württemberger haben wir diese Stürme der Zeit glücklich überwunden. 
Lassen Sie uns hoffen, daß auch jetzt, trotz der Bemühungen einer Partei, 
die, um ihre Zwecke zu erreichen, Unruhe und Unzufriedenheit im Volke zu 
verbreiten sucht, Wahrheit und Recht — Regierung und Volk fest vereinigen 
werden!“
	        
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