Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Deutschland. 113 
Herzogthümer sowohl für die Bevölkerung dieser und das deutsche Volk als 
auch für das Ausland haben werde. Auf der anderen Seite aber verschloß 
man sich auch der Erkenntniß nicht, daß die Beschlüsse des bevorstehenden Ab- 
geordnetentags, da, wie leider nicht mehr zu bezweifeln ist, nicht blos wie 
schon früher, die Abgeordneten Oesterrreichs, sondern nun auch diejenigen Preu- 
ßens von demselben sich fern halten werden, als der Ausdruck des Willens 
des deutschen Volkes nicht werde angesehen werden. Man war der Ansicht, 
daß voraussichtlich erfolglose Beschlüsse von einer politischen Versammlung über- 
haupt, unter den obwaltenden thatsächlichen Verhältnissen aber und von den 
Abgeordneten eines kleinen geographischen Bruchtheils Deutschlands um so mehr 
zu vermeiden seien, als sie die Gefahr in sich tragen, den Bestrebungen nach 
einer Einigung Deutschlands hinderlich zu werden und den Anmaßungen des 
Auslandes Vorschub zu leisten“.  
25. Sept. Dritter deutscher Handelstag zu Frankfurt a. M. Beschlüsse: 
1. Handelsvertrag mit Rußland: „Der deutsche Handelslag erklärt, 
sich mit den Schritten, welche sein Ausschuß zur Anbahnung eines Zoll- und 
Handelsvertrages zwischen Rußland und den deutschen Staaten gethan hat, 
einverstanden; er erachtet das Zustandekommen eines solchen Vertrags für höchst 
zeitgemäß und wichtig im Interesse der beiden großen Länder, und spricht den 
angelegentlichen Wunsch aus, daß es den betreffenden hohen Regierungen ge- 
fallen möge, ihre Bestrebungen für einen Vertrag im Sinne der Denkschrift 
vom Febr. 1864 nachdrücklichst fortzusetzen und möglichst bald den Abschluß 
desselben herbeizuführen".  
2. Handelsvertrag mit Italien: „In Erwägung, daß die Ausdehnung 
der internationalen Handelsbeziehungen eine Hauptbedingung für die  wirthschaft- 
liche Entwicklung des Zollvereins ist, — daß unter denjenigen Staaten, mit wel- 
chen die Anknüpfung solcher Beziehungen sich vorzugsweise empfiehlt, das König- 
reich Italien vermöge seiner progressiven Consumtionsbefähigung eine sehr bedeu- 
tende Stelle einnimmt, — daß daher dort die Behandlung auf dem Fuße der meist- 
begünstigten Nationen jetzt und in Zukunft für unsern Handel und unsere Industrie 
von besonderer Wichtigkeit erscheint, — daß, nachdem Italien mit andern con- 
currirenden Staaten bereits Verträge abgeschlossen, durch die Unterlassung oder 
auch nur die Verzögerung einer Gleichstellung schon jetzt die wirthschaftlichen In- 
teressen des Zollvereins empfindlich geschädigt werden, — daß aber eine solche 
nothwendige Gleichstellung unter den obwaltenden Verhältnissen nur im Wege 
eines abzuschließenden neuen Handelsvertrags zu erlangen ist, das Zustande- 
kommen eines solchen auch bekanntlich keineswegs durch wirthschaftliche Schwie- 
rigkeiten, vielmehr durch ganz andere Rücksichten (Erwägungen) bisher ver- 
hindert worden ist — beschließt der Handelstag: die Regierungen des Zoll- 
vereins dringend zu ersuchen, unter Beiseitesetzung entgegenstehender Bedenken 
mit dem Königreich Italien ohne Verzug einen neuen, möglichst vortheil- 
haften Handelsvertrag abzuschließen, durch welchen dem Zollvereine mindestens 
alle Vortheile der meistbegünstigten Nation gesichert werden, und durch Förde- 
rung einer Schweizer Alpenbahn die kürzeste Verdindung mit Italien zu erstreben“. 
3. Handelsvertrag mit der Schweiz: 1) „Der deutsche Handelstag 
erkennt in dem Handels- und Zollvertrage mit der Schweiz eine nützliche und 
nothwendige Weiterbildung der Verkehrsverhältmisse des Zollvereins. 2) Die Be- 
denken, welche von einigen Regierungen gegen einzelne Punkte des Vertrags gel- 
tend gemacht werden, sind nicht von solcher Bedeutung, daß man nicht vertrauen 
dürfte, solche im Wege der Uebereinkunft in Bälde beseitigt zu sehen. 3) Der 
definitive Abschluß des Handelsvertrags ist um so nothwendiger als von ihm 
auch das Zustandekommen des zwischen der Schweiz und Württemberg verab- 
redeten Niederlassungsvertrags abhängig ist. Ebenso 4) erscheint es als dringendes 
Bedürfniß, daß, um den vorgesehenen Anschluß der andern Zollvereinsstaaten 
an diesen Niederlassungsvertrag zu ermöglichen, die freieste Bewegung in Be- 
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