Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Deutschland. 131 
20—300 Thl., abgesehen von der allfällig verwirkten sonstigen Strafe, 
verboten. 
27. Oct. (Nassau). Die II. Kammer beschließt mit 20 gegen 4 (clericale) 
Stimmen die Wiederherstellung der Verfassung von 1849. 
29. „ Generalversammlung des Nationalvereins in Frankfurt. 
1. Deutsche Frage. Antrag des Ausschusses: „I. Der Natio- 
nalverein hält fest an seinem Statut, wonach er gleichzeitig die Einheit 
und Freiheit Deutschlands anstrebt und am Programm von 1860, worin 
er den deutschen Bundesstaat mit einheitlicher Centralgewalt und Parlament, 
sowie am Programm von 1862, wodurch er die Reichsverfassung als Ziel 
festgestellt. Der Nationalverein beharrt auch auf dem Satz seines Pro- 
gramms von 1860, wonach unter der Bedingung, daß auch das preußische 
Volk sich der deutschen Centralgewalt und Volksvertretung unterzuordnen be- 
reit sei, und daß die preußische Regierung Deutschlands Interessen nach jeder 
Richtung thatkräftig wahrnehme und die unerläßlichen Schritte zur Her- 
stellung der deutschen Macht und Einheit thue, die Uebertragung der Cen- 
tralgewalt an das Oberhaupt des größten rein deutschen Staates Seitens des 
deutschen Volkes erfolgen werde, sowie gleichzeitig an seinem in Ueberein- 
stimmung mit der Reichsverfassung gefaßten Beschlusse von 1864, wonach die 
Entscheidung über den Träger der Centralgewalt der im Parlament vertre- 
tenen gesammten Nation zusteht. Der Nationalverein wiederholt endlich den 
Ausdruck seiner Ueberzeugung, daß zu einer gedeihlichen Lösung der deutschen 
Frage im Wege der Reform der baldige Sieg eines wahrhaft frei- 
sinnigen und nationalen Systems in Preußen die erste Be- 
dingung ist. II. In Uebereinstimmung mit dem Beschlusse vom 1. Nov. 
1864 erklärt der Nationalverein es wiederholt als eine Pflicht des deutschen 
Volkes, zu wachen über dem Selbstbestimmungsrechte Schleswig- 
Holsteins. Nur die Interessen Deutschlands dürfen es beschränken. Bei dem 
Mangel einer deutschen Centralgewalt kann nur Preußen zur Zeit die 
Vertheidigung der deutschen Küsten und Grenzen im Norden wirksam 
und nachhaltig durchführen. Mit Rücksicht darauf erkennt der Nationalverein 
die zwischen preußischen Abgeordneten und dem engeren Ausschusse der Schles- 
wig-Holstein-Vereine getroffene Berliner Vereinbarung vom 26. März 
l. Js. als eine genügende Basis zur beiderseitigen Verständigung und zur 
Befriedigung der nationalen Interessen, soweit solche vor Durchführung der 
deutschen Reichsverfassung möglich ist. Nicht länger darf die Einberufung 
der Landesvertretung der Herzogthümer verzögert werden. Unerträglich  
lastet seit dem Wiener Frieden und dem Gasteiner Vertrage auf dem von 
dänischer Willkürherrschaft befreiten Lande die Vergewaltigung  durch 
deutsche Bundesgenossen,  welche die Herzogthümer vollkommener Rechtlosig- 
keit Preis gibt, ja nicht einmal vor der gänzlichen Zerreißung der alten Ver- 
bindung Schleswig-Holsteins zurückgeschreckt ist.“  
Antrag v. Bürgers (Köln): „In Erwägung, daß die preußische Re- 
gierung durch ihre innere, wie durch ihre deutsche Politik den nationalen 
Beruf Preußens verkennt und demselben zuwiderhandelt, erklärt der Natio- 
nalverein: 1) Es ist gegen das Interesse Deutschlands, der preußischen Re- 
gierung irgend welche Befugnisse der deutschen Centralgewalt auch nur vor- 
läufig und in beschränktem Umfange zuzugestehen. 2) Die na- 
tionale Partei hat die antinationalen Bestrebungen Preußens und Oesterreichs 
unbedingt zu bekämpfen, und es ist namentlich die Pflicht des preu- 
ßischen Abgeordnetenhauses, die Opposition, welche es gegen die 
innere Reaktion erhoben hat, auch auf dem Gebiete der deutschen Politik 
Preußens zu bethätigen. 3) Die nationale Partei hat ihre Kraft dahin zu 
richten, daß die partikularistischen Tendenzen sämmtlicher deutscher Regierun- 
gen, welche der Reform der Bundesverfassung entgegenstehen, beseitigt werden; 
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