Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Oegerreich. 219 
die ungebrochene Liebe seiner Völker als werthrollsten Edelstein einzusügen 
ewillt sind. Als gekrönter König werden wir nicht ermangeln, den 
andltäglich versammelten Ständen und Vertretern außer jenen Vorlagen, 
welche wir schon an den am 2. April 1861 versammelten Landtag gelangen 
ließen, noch über zahlrciche andere Angelegenheiten uusere kgl. Propositionen 
mitzutheilen. Es sind dieß Gegenstände, welche die geistigen und materiellen 
Interessen in den weitesten Kreisen berühren und deren erfolgreiche Regelung 
ohne empfindlichen Nachtheil des Landes kaum einen weiteren Ausschub eche- 
stattet. Der Wille der göttlichen Vorsehung hat uns große und schwierige 
Aufgaben vorgezeichnet: nicht minder znte. und im Hinblicke auf den in 
einem großen Theile unseres Reiches eingetretenen Stillstand des Versassungs- 
lebens mit schwerer Verantwortlichkeit verbundene — diesem Lande. Unlösbar 
sind dieselben jedoch nicht, wenn das Land im Vereine mit seinem Monarchen, 
den Traditionen der Väter solgend, mit Selbstrerleugnung und Opferwillig- 
keit an dieselben herantritt. Wir hossen dieß um so mehr, als das Land, 
indem es Krast und Gewicht verleiht, an Krast und Gewicht zunimmt; indem 
es zur Hebung der Schnierigkeiten schreitet, sich selbst erhebt; indem es den 
Bestand der Gesammtheit gewährleistet, den eigenen Bestand wahrt; und wenn 
es und nach einer bedrängnißvollen Epoche gelingen wird, unser Rrich durch 
die bedenklichen Wendungen einer schwierigen Lage mit dem Beislande dieses 
Landes dem ersehnten Ziele glücklich enlgegenzuführen, werden wir den Augen- 
blick segnen, der unseren Cntschluß zur Reife gebracht, das Vertrauen zwischen 
Herrscher und Volk wieder zu beleben und dauernd zu festigen. Mit ver- 
trauensvoller Zuversicht sehen wir der aufrichtigen Darlegung der Anschau- 
ungen der versammelten Stände und Bertreter des Landes entgegen, und in- 
dem wir den Landtag unseres Königreiches Ungarn anmit in feierlicher Weise 
für eröffnet erklären, schließen wir mit dem innigen Wunsche, es möge uns 
egönnt sein, das große Werk der Verständigung mit Gottes Hilse zur Zu- 
sekeenhet all' unserer Völker einem gedeihlichen Ende zuzuführen“. ' 
16. Dec. Abschluß des Handelsvertrages mit England. 
„ „ (Vorarlberg). Landtag: Adreßdebatte. Der vorgeschlagene 
Adreßentwurf wird mit allen gegen 2 Stimmen (unter diesen die- 
jenige des Bischofs) angenommen: 
„Weungleich die Absicht Cw. Maj. Regierung, anch jenen Theil des Reichs, 
welcher sich bisher von dem legislativen Wirken beharrlich fern hielt. zur 
Theilnahme am Versassungswerk zu veranlassen, deren Sistirung bevorwortete, 
und in die Redlichkeit dieser Absicht kein Zweifel gesetzt wird, 66 ist doch der 
Weg, den sie andahnte, dem wohlerworbenen, rechtlich und faktisch ausgeübten 
und durch das kaiserliche Wort gewährleisteten und wiederholt 
sonctionirten Verfassungsrechte der getreuen Völker des größeren Theils des 
Reichs entgegen, was um so tiefer deklagt werden muß, als die Entwickelung 
unseres Verfassungslebens grundsätzlic, der freitn Theilnahme aller Völker 
anheimgestellt und jede wünschenswerthe Aenderung des Grundgesetzes über 
die Reichsvertretung, somit auch die freie Vereinbarung mit Ungarn und Croa- 
tien, schon verfassungsmäßig normirt und gewährleistet ist. Auch dürste die 
Sistirung einer dem Landtag von Ungarn und Croatien zur Annahme em- 
pfohlenen Verfassung, statt ihrem Zweck einen Vorschub zu leisten, demselben 
vielmehr findrrich entgegentreten, wenn diese vorsichtigen Völker der östlichen 
Reichshälfte wahrnehmen müssen, daß es sich um eine Verfassung handle, die, 
obgleich durch das kaiserl. Wort und die That besiegelt, ihnen 
zu lieb aus Nützlichkeitsrücksichten — den in ihr selbst enthaltenen 
Grundsätzen entgegen — in ihrem wichtigsten Theil, wenn auch nur 
zeitweilig, bei Seite geschoben werden konnte. Könnte der treugehorsamfste 
Landtag von Vorarlberg seine Ansicht über die Recht= und Zweckmäßigkeit der 
Sistirung des Grundgesetzes der Reichsvertretung und der darin slillschwelgend