Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Spanien. 229 
20. Mai. Differenzen mit Chile in Folge der Expedition gegen Peru. 
Der spanische Gesandte Tavira richtet an die Regierung von Chile 
eine Note, in welcher 11 Beschwerdepunkte namentlich aufgeführt 
werden: 
1) Die chilenische Regierung habe keine Maßregeln getrofjen, um die der 
spanischen Flagge am 1. Mai v. J. in Santiago zugestigte Beleidigung zu 
vermeiden; 2) habe sie vor den spanisch-americanischen Repudliten gegen die 
Occupation der Chinchas xrotestirt; 3) sei sie den Ausschreitungen der öffent- 
lichen Meinung nicht entgegengetreten; 4) habe sie bem peruganischen 
Kriegsschiff „Larzundi“ Seeleute anzuwerben erlaubt; 5) habe sie geflattet, 
daß bewafssnete Freiwillige sich nach Peru eingeschifft; 6) sei fie nicht gegen 
ein wegen seiner Schmähungen Spaniens bekanntes Blatt eingeschritten; 
7) habe sie das spanische Kriegsschiff „Vencedor“ in Lota als ein feindliches 
behandeln lassen; 8) habe sie Steinkohlen als Kriegscontrebonde erklärt; 
9 sei Frankreich besser von ihr behandelt als Spanien, indem Frankreich, 
als es in offenem Kriege mit Mexico begriffsen gewesen, nichts in den Weg 
gelegt worden betreffs der Einnahme von Koblen und Lebensmitteln; 
10) habe sie erlaubt, daß Peru aus Chile Pserde geholt, die doch nach 
Bölkerrecht Kriegecontrebande seien; 11) haobe sie die vom fpanischen 
Gesandten gegen das unter Nr. 6 erwähnte Schmähdlatt erhobene Beschwerde 
nicht berücksichtigt. 
Die chilenische Regierung erörtert in ihrer Antwort die 11 Be- 
schwerdepunkte, ohne irgend einen zurückzunehmen, oder Genugthuung 
dafür zu gewähren, mit dem Beifügen: 
„Es ist nokhwendig, daß dier Regierung Ihrer spanischen Majestät sich 
überzeuge, daß die anomale Art und Weise der Occuxation der Chinchas 
durch Spaniens Agenten und die bei dieser Gelegenheit proclamirten be- 
fremdenden Principien die Ursache von allem gewesen sind, was vorgefallen“. 
Der spanische Gesandte erklärt sich trotzdem mit der Antwort 
zufrieden: 
.In Folge jener Erklärungen werden meinem Urtheile nach alle Be- 
schwerde-Motive hinfällig. In kiesem Sinne meiner Regicrung zu berichten, 
halte ich für meine Pflicht, auf daß das aufrichtige Einverständniß, welches 
zwischen Chile und Spanien immer existirt hat, nicht wieder auch nur im 
geringsten alterirt werde“. 
6. Juni. Der spanische Generalcapitain Göndara schließt mit einer 
Commission der aufständischen Dominicaner eine Convention über 
die Räumung der Insel durch die Spanier ab: 
1) Die dominicanische Regierung erkennt an, daß sie die Unabhängigkeit, 
deren sie sich nächstens erfreuen wird, nur der Großmuth des spanischen Volks 
verdankt. 2) Die Sxanien treu gebliebenen Dominicaner, welche in Santo 
Domingo bleiben wollen, leben unter dem Schutze der Gesetze, und ihre Per- 
son, sowie ihre Interessen werden respectirt. Denjenigen, welche das Land 
verlassen, steht es frei, zurückzukehren, wenn es ihnen beliebt, und sie werden 
während ihrer Abwesenheit die gleichen Vortbeile genießen. 3) Die Regierung 
der Republik zahlt an Spanien eine Emtchädigung für die Kriegskosten; die 
Kä dieser Entschädigung wird später vertragsmäßig festgestellt werden. 
) Die dominicanische Regierung geht die feierliche Verpflichtung ein, weder 
ihr ganzes Gebiet noch einen Theil desselben ohne Einwilligung und Crmäch= 
tigung Spaniens zu veräußern. 5) Bei Räumung der Insel Seitens Spa-