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kebersicht der Errignisse des Jahres 1665.
Italien. zu Boden drückten. Schulden wurden auf Schulden gehäuft, so daß
sich bald Niemand der Einsicht verschließen konnte, daß man bei
aller in der That anerkennenswerthen Opferwilligkeit der Bevöl-
kerungen auf diesem Wege dem unausweichlichen Staatsbankerrt!
entgegen treibe. In jeder Session drang das Parlament auf Er-
sparnisse, jeder Finanzminister versprach, das Deficit wenigstens sehr
wesentlich zu ermäßigen. Allein die große Frage war, wo Erspar-
nisse gemacht werden könnten und da in den einen Zweigen der
Staatsverwaltung vernünftiger Weise in der That nichts erspart
werden konnte, in den andern nichts erspart werden wollte, so ge-
schah in Wahrheit gar nichts oder nur in Branchen, die unmöglich
von Belang sein konnten. Es lag auf der Hand, daß, gerade wie
in Oesterreich, nur durch eine erkleckliche Reduction der Militär-=
ausgaben das Gleichgewicht der Finanzen hergestellt oder wenigstens
angebahnt werden konnte; allein gerade dieß war es, wo nicht gespart
werden wollte. Und darüber waren Regierung und Volksvertretung
so ziemlich einzig. Ein Volk, das seine Unabhängigkeit nicht selber
mit den Wafssen in der Hand zu wahren fähig ist, ist nicht unab-
hängig. Die Befreiung von der Fremdherrschaft wäre ohne Frank-
reichs Hülfe nicht möglich gewesen; ohne Frankreichs fortdauernden
Schutz war der Bestand des Königreichs Italien unzweifelhaft auch
jortan ein entschieden precärer. Oesterreich war weit entfernt, das-
selbe anzuerkennen; es beharrte auf dem Standpunkte des Züricher
Friedens und bedrohte thatsächlich von seinem Festungsvicreck aus
die neue Schspfung, die darum naturgemäß in einer gewissen Ab-
hängigkeit von Frankreich bleiben mußte. Diese Abhängigkeit läßt
sich zwar mit der früheren Herrschaft Oesterreichs gar nicht ver-
gleichen, aber sie lastete doch schwer auf den Gemüthern der Ita-
liener und alle waren geneigt, die äußersten Anstrengungen zu
unterstützen, um das Land so bald wie möglich durch Ausbil-
dung seiner Wehrkraft nach allen Sciten auf eigene Füße zu stellen.
So weit stellte sich die Nation immerhin eine Aufgabe und ein Ziel,
das binnen nicht allzulanger Zeit erreichbar schien und wohl auch
wirklich erreichbar war. Cntschieren darüber hinaus lag dagegen
die Eroberung Venetiens und doch wurde sie fort und fort von der
Regierung wie von der Nation proclamirt. Denn daß Italien allein
der erprobten österreichischen Armee gegenüber völlig außer Stande sei,