440 Vebersicht der Ereigussse des Jahres 1865.
Deutsch-druck, selbst in Süddeutschland. Andere Symptome ziemlich allge-
land. meiner Rathlosigkeit kamen dazu. Der großdeutsche Reformverein
verzichtete neuerdings auf die Abhaltung einer Generalversammlung.
Seine Ideen einer Reconstruirung Deutschlands auf streng föde-
ralen Grundlagen schwebte bei der Stellung, die Oesterreich und
Preußen gegen einander und gegen das übrige Deutschland einge-
nommen hatten, in der That vollkommen in der Luft, sein Ver-
trauen in die Opferwilligkeit der mittelstaatlichen Negierungen, die
er bei Gelegenheit des Fürstentages an den Tag gelegt hatte, fand
keine gläubigen Ohren, da dafür wohl schöne Worte und Versprech-
ungen, aber in Wahrheit auch nicht die allerkleinste Thatsache vorlagen.
Der Nationalverein hielt zwar seinerseits eine Generalversammlung
ab, allein, um sein Auseinanderfallen durch den Gegensatz zwischen
den Anschauungen seiner preußischen und seiner nicht-preußischen Mit-
glieder zu verhüten, saßte er Resolutionen, mit denen ein großer
Theil seiner Mitglieder nur halb oder gar nicht einverstanden war
und die mehrfache Austritte zur Folge hatten. Sein Einfluß war
entschieden gebrochen. Es konnte auch nicht anders sein, da die
Gestaltung der politischen Dinge in Preußen diesem in Süd= und
Mitteldeutschland alle Sympathieen entzogen und im allerhöchsten
Grade abschreckend hatten wirken müssen: die Gewaltpolitik des
Regimentes Bismarck, die nicht eine durch ein freies und mächtiges
Parlament beschränkte und controllirte Hegemonie, sondern eine di-
recte Herrschaft Preußens in dieser oder jener Form, ein entschie-
denes Unterordnen der nationalen Inleressen unter die specifisch
preußischen anstrebte, hatte ihm nothwendig den Boden unter den
Füßen entzogen. Eine dritte Partei, die sich unter diesen Umstän-
nen im Laufe des Jahres 1865 aufzuthun suchte, die großdeutsch-
democratische, fand zwar für ihre nächsten Zielpunkte, eine durch-
greifende Reform der öffentlichen Zustände in den Mittel= und Klein-
staaten auf entschieden liberaler und democratischer Grundlage, un-
zweifelhaft vielfachen Anklang, aber ihre Ideen über die zukünftige
Gestaltung Gesammtdeutschlands namentlich bezüglich Oesterreichs
und Preußens waren so durchaus unklar und verschwommen, daß
die Nation sich unmöglich einer Partei in die Arme werfen konnte,
die gerade für diejenige Frage keine Lösung wußte, welche drohend
vor der Thüre stand, so drohend, daß gewissermaßen das Schwert
schon ausgehoben war, das sie mit Gewalt lösen wollte.