Deutschland. 75
titionen verlangen für die katholische Kirche entweder das Recht der Mit-
leitung und Mitaufsicht über die Schulen oder vollständige Unterrichtsfreiheit.
Die großh. Regierung vermag dem Verlangen nach einer solchen Erweiterung
der bestehenden Unterrichtsfreiheit nicht stattzugeben, bei welcher das dem Ein-
zelnen gewährte Recht als schrankenloses Vorrecht für Corporationen ange-
sprochen und die staatliche Aussicht über derartige Unterrichtsanstalten ausge-
schlossen oder unwirksam würde. Einen Rechtsanspruch der Kirchen auf Mit-
leitung der öffentlichen Schulen im Großherzogthum kann die Regierung ge-
genüber der den Staatsbürgern zugesicherten Gewissensfreiheit und gegenüber
§ 6 des Gesetzes von 1860 gleichfalls nicht anerkennen, und sie kann sich
des Rechtes nicht entäußern, Schulen ohne confessionellen Charac-
ter zu errichten, mit dem Vorbehalt, daß die Kirchen für den Religions-
unterricht ihrer Angehörigen neben der Schule Sorge tragen. Insoweit da-
gegen die bestehende Gesetzgebung eine confessionelle Volksschule, mit obliga-
torischem Religionsunterricht angeordnet hat ... ging die Regierung von der
Erwartung aus, daß die Kirchen von der ihnen gebotenen Stellung Gebrauch
machen werden, und sie war bei Vollzug des Gesetzes bemüht, den Eintritt
dieser Mitwirkung möglichst zu erleichtern. Sie hält auch jetzt die Hoff-
nung fest, daß dieses von ihr im Interesse der confessionellen Volksschule ge-
wünschte Resultat eintreten werde und wird, um die Absicht des Gesetzes voll-
ständig zu erreichen als vollziehende Gewalt nach der ihr obliegenden Pflicht
umsichtiger Unparteilichkeit einer mit dem Worte und dem Geiste des Gesetzes
vom 29. Jull 1864 verträglichen Verständigung mit der katholischen Kir-
chenbehörde nicht aus dem Wege gehen.
16. Mai. (Zollverein). Die neuen Zollvereinsverträge werden in Berlin
von den Bevollmächtigten sämmtlicher Zollvereinsstaaten unterzeichnet.
* „ (Preußen) sucht eine Stütze für seine Absichten an den dänisch
redenden Nordschleswigern; zu diesem Ende hin geht ein Erlaß an
Hrn. v. Zedlitz in Betreff ihrer angeblichen Bedrückung, mit dem
Auftrag, „er solle zuverlässige Persönlichkeiten, über deren Unpartei-
lichkeit kein Zweifel bestehe, auf preuß. Kosten absenden, damit diese
sich an Ort und Stelle von den Zuständen und Beschwerden der
Einwohner durch Erkundigungen bei denselben unterrichteten“.
„ „ (Bayern). Die I. Kammer lehnt den Antrag der II. Kammer
auf Erweiterung (und Umbildung) des Reichsraths einstimmig ab.
„ „ (Baden). Der Erzbischof von Freiburg macht einen erfolglosen
Versuch, sich mit der Regierung über das Schulgesetz zu verständigen.
Die Regierung erklärt seine Forderungen für unnannehmbar.
17. „ (Hannover). Beide Kammern verständigen sich vor ihrer Ver-
tagung noch über ein (schwaches) Verlangen nach Veränderung der Preß-
Gesetzgebung; dagegen ist keine Verständigung in der Verfassungs-
frage zu erzielen. Der Wahlgesetzfrage weicht die I. Kammer aus.
19. (Bayern). II. Kammer: Der Ausschuß beschließt mit 7 gegen
2 Stimmen eine Ausdehnung der beabsichtigten Amnestie auch auf
(deutsche und nichtdeutsche) Ausländer trotz der kategorischen Erklä-
rung des Ministeriums, daß mit dieser Ausdehnung das ganze Ge-
setz nicht zu Stande kommen werde.
22. „ (Oldenburg) richtet eine identische Note gegen die angebliche