Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Deutschland. 89 
Folge des Widerstrebens Oesterreichs gegen die Wünsche Preußens 
in der schlesw.-holst. Frage.  
19. Juli. (Oesterreich). Der österr. Gesandte in München, Graf Blome, 
wird nach Wien beschieden. 
20. „ (Schleswig-Holstein). Die preuß. Flottenstammdivision langt 
von Danzig in Kiel an. 
„ „ (Nassau). Der Abg. Schenk wird von der Regierung wegen 
Aeußerungen in der Kammer gerichtlich verfolgt. Derselbe verwei- 
gert jede Auskunft. 
21. „ (Preußen). Der König hält auf seiner Reise von Karlsbad 
nach Gastein ein Cabinetsconseil in Regensburg. Alle Minister sind 
von Berlin dahin beschieden und ebenso die preuß. Gesandten von 
Paris und Wien. 
22. „ (Preußen). Der preuß. Gesandte, Hr. v. Werther, kehrt von 
Karlsbad und Regensburg nach Wien zurück, obne ein Zugeständniß 
an Oesterreich mitzubringen: Preußen hält an seinen Forderungen 
bez. der Herzogthümer vom 22. Febr. fest. 
% „ (Schleswig-Holstein). Die österr. Preuß. Civilcommissäre sehen 
sich genöthigt, in Folge der Mission Hohenlohe in Nordschleswig 
neuerdings dänische Farben und aufreizende dänische Lieder zu ver- 
bieten. 
23. „ (Preußen). Hr. v. Bismarck trifft auf dem Wege von Regens- 
burg nach Gastein in Salzburg, wohin er ihn zu einer Unterredung 
eingeladen, mit dem bayrischen Minister v. d. Pfordten zusammen: 
Ueber das Resultat dieser Zusammenkunft wurde aus anscheinend authen- 
tischen Quellen später solgende Enthüllung gemacht: „Hr. v. Bismarck er- 
öffnete die Unterredung mit der Erklärung, daß seiner festen Ueberzeugung 
nach der Krieg zwischen Preußen und Oesterreich sehr wahrscheinlich und un- 
mittelbar bevorstehend sei, und er halte es demnach durch das dringendste In- 
teresse der Mittelstaaten geboten, jetzt schon für eine solche Eventualität ihrer- 
seits Stellung zu nehmen. Es handle sich, bemerkte er weiter, wie er die 
Sache auffasse, um ein Duell zwischen Oesterreich und Preußen allein, und 
es werde eine verhältnißmäßig geringe Interessensumme in Mitleidenheit ge- 
zogen werden, wenn das übrige Deutschland den passiven Zuschauer dieses 
Duells abgebe. Das könne es mit voller Beruhigung: Preußen habe niemals 
daran gedacht, und denke auch noch jetzt nicht daran, sein Machtgebiet über 
die Mainlinie hinaus zu erstrecken. Lange werde übrigens die Entscheidung 
nicht auf sich warten lassen. Oesterreich sei weder gerüstet, noch habe es die 
Mittel, sich zu rüsten. Ein einziger Stoß, eine Hauptschlacht — und Preußen 
werde in der Lage sein, die Bedingungen zu dictiren Hr. v. d. Pfordten 
machte auf diese Auslassungen hin den Einwurf, daß ihm die Achtung der 
Neutralität denn doch nicht unter allen Umständen gesichert erscheine, und daß 
beispielsweise Preußen sich leicht veranlaßt finden könnte, jene eine Hauptschlacht 
auf sächsischem Boden zu schlagen. Hr. v. Bismarck erklärte sofort, daß eine 
Localisirung des Krieges, und zwar durch einen Stoß von Schlesien her, nicht 
blos beschlossen, sondern auch möglich sei, nicht blos nach seinem Urtheil, dem 
Urtheil eines bloßen Laien, sondern nach dem bereits eingezogenen und auf 
reiflichster Erwägung beruhenden Gutachten der competentesten militärischen 
Autoritäten. Den Mittelstaaten sei zudem in der Proclamirung ihrer bewaff- 
neten Neutralität noch ein Mittel mehr zur Sicherung jener Localisirung ge-