Preußen und der norddeutsche Bund. 107
preußischen Einheitsstaates. Ohne verantwortliches Ministerium keine Central=
gewalt. Ohne diese ist die Verfassung unannehmbar. (Beifall links.)
45. April. (Preußen) erklärt sich der englischen Regierung gegenüber
zu einer Concession in der luxemburgischen Frage vorerst noch ganz
und gar nicht geneigt.
16. „ (Norddeutscher Bund). Reichstag: Schluß der Debatte über
den Verfassungs-Entwurf — Militärfrage:
Amendements werden gestellt: vom Grafen zu Stolberg (conservative
Partei) zu Art. 56 (resp. 60) den Zusatz: „Für die spätere Zeit wird die
Friedenspräsenzstärke des Heeres durch ein Bundesgesetz festgestellt, bis zu dessen
Erlaß die vorstehenden Besiimmungen von Jahr zu Jahr in Kraft bleiben.“
Und im Art. 58 (resp. 62) statt „bis zum 31. Dec. 1871“ zu setzen „bis
zum Erlaß eines Bundesgesetzes.“ — Amendement des Herzogs von
Ujest und v. Bennigsens nebst 180 Gen. (nach getroffener Vereinbarung
zwischen den Freiconservativen und den National-Liberalen) zu demselben
Art. 58 (resp. 62): „Nach dem 31. Dec. 1871 müssen diese Beträge von den
einzelnen Staaten des Bundes zur Bundeskasse fortbezahlt werden. Zur
Berechnung derselben wird die im Art. 60 interimistisch festgestellte Friedens-
präsenzstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein Bundesgesetz abgeändert ist.
Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Bundesheer und dessen
Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz festgestellt. Bei der Fesistellung des
Militär-Ausgabe-Etats wird die auf Grundlage dieser Verfassung feststehende
Organisation des Bundesheeres zu Grunde gelegt.“
Abg. v. Vincke [Hagen] (Altliberal) empfiehlt dringend die Annahme
des Amendements Stolberg, unter Verweisung auf die gestern vom Grafsen
Bismarck abgegebene Erklärung: daß die Frage wegen der Präsenzstärke ein
noll me tangere bis zu gesetzlich bewirkter Abänderung sei, sowie auf die
bei der Vorberathung namentlich vom Abg. Gneist für die Fortdauer der
Präsenzstärke geltend gemachten Gründe. In Consequenz dieses Standpunkts
bekämpft Redner das zwischen der freien conservativen Vereinigung und der
Fraction der National-Liberalen vereinbarte Amendement und erklärt es für
ebenso werthlos wie das Papier, auf dem es gedruckt stehe. (Oho links und
im Centrum.) Mit diesem Amendement bezwecke man nur alle die Anträge,
welche Graf Stolberg und Genossen gestellt, und womit die Bundesregier-
ungen sich einverstanden erklärt haben, zu beseitigen. Mit der Annahme
dieses Antrags stellen Sie die Armee in die Luft. (Schallendes Gelächter im
Hause.) Redner wiederholt in lobender Weise diesen Ausdruck (Lärm, Bravo-
ruf. Präsident bittet um Ruhe) und schließt unter sehr schwachem Bravo der
Rechten. — Abg. Lasker (National-Liberal): Alles was der Abgeordnete
v. Vincke in Bezug auf das Zustandekommen des Amendements und seine
Tendenz gesagt hat, beruht auf bloßer Vermuthung. Denn wir haben auf
seine Zuziehung und auf ein Compromiß mit ihm, in denjenigen Fragen,
bei denen es sich um die verfassungsmäßigen Rechte des Volkes handelt, ver-
zichtet. Wir sind in dieses Haus mit der Absicht und bestimmten Erklärung
eingetreten, die Rechte des Abgeordnetenhauses nicht zu Schanden gehen zu
lassen. Für den Abgeordneten v. Vincke mag es befriedigend sein gegen die
versassungsmäßigen Rechte des Volkes zu stimmen; wahrscheinlich wird er
aber damit nicht einmal innerhalb seiner kleinen Partel Anklang finden.
Wir sind bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen. Wenn man
uns aber jetzt zumuthet, daß wir auch die verfassungsmäßigen Rechte des
Bolkes aufgeben sollen, dann meinen wir, daß es mit diesem norddeutschen
Bunde nicht ernst gemeint ist, denn von allen Seiten gehen die Nachrichten
ein, daß in den weitesten Schichten des Volkes die Ueberzeugung sich aus-
drückt, daß das Werk, wenn es den Rechten des Volkes keine Rechnung trage,