Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

                       Preußen und der norddeutsche Bund. 409 
— Graf Bismarck bittet von Neuem dringend: wenigstens in diesem Fall 
das Amendement Stolberg, sowie den Zusatzantrag des Grafen Otto Stol- 
berg zu dem Amendement des Herzogs Ujest anzunehmen. Geschehe das 
nicht, so laufe man Gefahr, daß das Werk noch im letzten Augenblick schei- 
tern werde. 
Das Amendement Stolberg wird trotzdem mit 157 gegen 119 
Stimmen, der Zusatzantrag des Grafen Otto Stolberg mit 156 
gegen 120 Stimmen in namentlicher Abstimmung abgelehnt (neun 
Mitglieder haben sich der Abstimmung enthalten), und schließlich das 
Amendement des Herzogs v. Ujest mit 202 gegen 80 Stimmen, 
gleichfalls in namentlicher Abstimmung, angenommen. (Dagegen 
stimmen: wenige Conservative, die Polen, die Linke und die Mehr- 
zahl der constitutionell-bundesstaatlichen Fraction. Allgemeine Heiter- 
keit erregt das zustimmende Votum des Abg. v. Vincke-Hagen, der 
sich so entschieden gegen ein so „werthloses“ Amendement erklärt 
hatte.) Die folgenden Artikel bis zum Schluß werden ohne Dis- 
cussion theils unverändert, theils mit geringen Modificationen an- 
genommen. Schließlich wird der Verfassungs-Entwurf als Ganzes 
mit 230 gegen 53 Stimmen angenommen. 
Präsident Simson: Meine Herren! Es ist mir sehr schwer der tiefen 
Bewegung, die bei diesem Ergebniß sicherlich jedes Mitglied der hohen Ver- 
sammlung empfindet, keinen Ausdruck zu geben. Ich versage es mir nur 
in dem Gefühl, daß es mir nicht ansteht der Würdigung, die unsere Haltung 
morgen an einer andern Stelle erfahren wird, mit dem Ausdruck meiner 
Auffassung oder auch nur meiner Wünsche vorzugreifen. Ich boffe, das 
Haus wird dieses Motiv der Convenienz als ein gerechtfertigtes anerkennen. 
(Bravo.) — Abg. Kantak erhebt gegen die jetzt beschlossene Einverleibung 
ehemals polnischer Landestheile in den norddeutschen Bund als einen Gewalt- 
akt Protest und erklärt, daß er und selne Landsleute hiermit nach Erschöpfung 
ihrer Aufgabe ihr Mandat niederlegen. — Präsident Simson: Durch die 
Niederlegung Ihres Mandats entziehen Sie sich dem Ordnungsruf, der Sie 
unzweifelhaft für das Unternehmen getroffen hätte, den Beschluß dieses Hauses 
als einen Gewaltakt brandmarken zu wollen. Ob Ihnen das gelungen ist, 
darüber will ich nicht sprechen; mich dünkt, über diesen Protest wird die 
Geschichte ebenso zur Tagesordnung übergehen wie über alle bisherigen. 
(Stürmischer Beifall.) 
16. April. (Preußen: Hannover). Eine k. Cabinetsordre gestattet 52 
17. 
bisher k. hannov. Offizieren den Eintritt in die k. sächsische Armee. 
„ (Norddeutscher Bund). Reichstag: Graf Bismarck eröffnet, 
das die verbündeten Regierungen beschlossen hätten, der Verfassung 
des Bundes, wie sie aus den Berathungen des Reichstags schließlich 
hervorgegangen sei, beizustimmen und erklärt demgemäß diese Ver- 
fassung als durch den Reichstag und die Regierungen angenommen. 
Eine kgl. Botschaft verkündet den Schluß des Reichstags durch den 
König auf Mittag im weißen Saale des kgl. Schlosses. 
Schluß des Reichstags: Thronrede des Königs von Preußen: 
„Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des norddeutschen 
Bundes! Mit dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung sehe Ich Sie am 
Schlusse Ihrer wichtlgen Thätigkelt wiederunm um Mich versammelt. Die
	        
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