Preußen und der norddeutsche Bund. 409
— Graf Bismarck bittet von Neuem dringend: wenigstens in diesem Fall
das Amendement Stolberg, sowie den Zusatzantrag des Grafen Otto Stol-
berg zu dem Amendement des Herzogs Ujest anzunehmen. Geschehe das
nicht, so laufe man Gefahr, daß das Werk noch im letzten Augenblick schei-
tern werde.
Das Amendement Stolberg wird trotzdem mit 157 gegen 119
Stimmen, der Zusatzantrag des Grafen Otto Stolberg mit 156
gegen 120 Stimmen in namentlicher Abstimmung abgelehnt (neun
Mitglieder haben sich der Abstimmung enthalten), und schließlich das
Amendement des Herzogs v. Ujest mit 202 gegen 80 Stimmen,
gleichfalls in namentlicher Abstimmung, angenommen. (Dagegen
stimmen: wenige Conservative, die Polen, die Linke und die Mehr-
zahl der constitutionell-bundesstaatlichen Fraction. Allgemeine Heiter-
keit erregt das zustimmende Votum des Abg. v. Vincke-Hagen, der
sich so entschieden gegen ein so „werthloses“ Amendement erklärt
hatte.) Die folgenden Artikel bis zum Schluß werden ohne Dis-
cussion theils unverändert, theils mit geringen Modificationen an-
genommen. Schließlich wird der Verfassungs-Entwurf als Ganzes
mit 230 gegen 53 Stimmen angenommen.
Präsident Simson: Meine Herren! Es ist mir sehr schwer der tiefen
Bewegung, die bei diesem Ergebniß sicherlich jedes Mitglied der hohen Ver-
sammlung empfindet, keinen Ausdruck zu geben. Ich versage es mir nur
in dem Gefühl, daß es mir nicht ansteht der Würdigung, die unsere Haltung
morgen an einer andern Stelle erfahren wird, mit dem Ausdruck meiner
Auffassung oder auch nur meiner Wünsche vorzugreifen. Ich boffe, das
Haus wird dieses Motiv der Convenienz als ein gerechtfertigtes anerkennen.
(Bravo.) — Abg. Kantak erhebt gegen die jetzt beschlossene Einverleibung
ehemals polnischer Landestheile in den norddeutschen Bund als einen Gewalt-
akt Protest und erklärt, daß er und selne Landsleute hiermit nach Erschöpfung
ihrer Aufgabe ihr Mandat niederlegen. — Präsident Simson: Durch die
Niederlegung Ihres Mandats entziehen Sie sich dem Ordnungsruf, der Sie
unzweifelhaft für das Unternehmen getroffen hätte, den Beschluß dieses Hauses
als einen Gewaltakt brandmarken zu wollen. Ob Ihnen das gelungen ist,
darüber will ich nicht sprechen; mich dünkt, über diesen Protest wird die
Geschichte ebenso zur Tagesordnung übergehen wie über alle bisherigen.
(Stürmischer Beifall.)
16. April. (Preußen: Hannover). Eine k. Cabinetsordre gestattet 52
17.
bisher k. hannov. Offizieren den Eintritt in die k. sächsische Armee.
„ (Norddeutscher Bund). Reichstag: Graf Bismarck eröffnet,
das die verbündeten Regierungen beschlossen hätten, der Verfassung
des Bundes, wie sie aus den Berathungen des Reichstags schließlich
hervorgegangen sei, beizustimmen und erklärt demgemäß diese Ver-
fassung als durch den Reichstag und die Regierungen angenommen.
Eine kgl. Botschaft verkündet den Schluß des Reichstags durch den
König auf Mittag im weißen Saale des kgl. Schlosses.
Schluß des Reichstags: Thronrede des Königs von Preußen:
„Erlauchte, edle und geehrte Herren vom Reichstage des norddeutschen
Bundes! Mit dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung sehe Ich Sie am
Schlusse Ihrer wichtlgen Thätigkelt wiederunm um Mich versammelt. Die