Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

168                  Preußen und der norddeutsche Bund. 
7. Nov. (Preußen). Allgemeine Landtagswahlen. In den östlichen 
Provinzen erringen die Conservativen, in den westlichen und den 
neuen Landestheilen die National-Liberalen die Oberhand, in Berlin, 
Breslau, Königsberg siegen die Demokraten, ebenso in Frankfurt. 
In Hannover sind von 36 Abg. alle bis auf 3 national liberal, 
die Polen verlieren wieder mehrere Wahlkreise, in Schleswig ge- 
hören die Gewählten bis auf 3 (Scheel-Plessen und 2 Dänen) zur 
bundesstaatlich-constitutionellen Partei. 
„ „ (Sachsen). II. Kammer: Die Regierung wird über die Erle- 
digung der Wahlgesetzfrage interpellirt. Der Staateminister v. Nostitz- 
Wallwitz antwortet: 
„daß eine Verzögerung der Vorlage nicht in der Absicht der Regierung 
liege, daß aber dieselbe ebenso wenig diejenige Auffassung, die in dem in der 
jenseitigen Kammer gestellten Antrag Ausdruck gefunden, sich anzueignen 
vermöge. Die Regierung verkenne nicht, daß die veränderten Verhältnisse 
veränderte Bestimmungen über die Landesvertretung räthlich machten, und sie 
werde hierzu die loyale Mitwirkung der Kammern in Anspruch nehmen. 
Sie könne aber die Nothwendigkeit, deßhalb das Staatsschiff in ungeregelte 
Bahnen zu lenken und (um einen processualischen Ausdruck zu gebrauchen) 
ein tumultuarisches Verfahren einzuschlagen, nicht anerkennen.“ 
10. „ (Preußen). Der Abfindungsvertrag mit dem gew. Herzog 
von Nassau wird von Preußen ausgeführt, nachdem der Herzog seine 
bisher noch immer unterhaltenen Gesandten in Wien und im Haag 
abberufen hat. 
„ „ (Preußen). Durch ministeriellen Bescheid wird die Königs- 
berger Universitätsfrage endlich wenigstens dahin erledigt, daß „un- 
beschadet ihres protestantischen Charakters“ auch Nichtprotestanten als 
Privatdocenten zugelassen und im Falle des concreten Bedürfnisses 
vausnahmsweise“ als Lehrer angestellt werden dürfen. 
11. „ (Preußen). Das Berliner Stadtgericht, an welches der 
Prozeß gegen den Abg. =esten wegen seiner Rede im Abg.-Hause 
vom 20. Mai 1865 über die Justizverwaltung durch Erkenntniß 
des Obertribunals vom 26. Juni d. J. zurückgewiesen worden war, 
unter Vernichtung der auf Grund des Art. 84 der Verfassung 
(Redefreiheit) freisprechenden Urtheile beider Instanzen] verurtheilt 
Twesten zu der höchsten zulässigen Strafe von 2 Jahren Gefängniß, 
indem es annimmt, daß der Angeklagte in der gedachten Rede in 
vier Fällen der Beleidigung und Verleumdung gegen den Justiz- 
minister, in einem Falle gegen das Staatsministerium, in zwei 
Fällen gegen das Obertribunal, in zwei Fällen gegen die preußischen 
Gerichtshöfe überhaupt, in einem Falle gegen die Staatsanwaltschaft 
und eben so gegen den Disciplinarsenat des Obertribunals und den 
Staatsgerichtshof in je einem Falle sich schuldig gemacht habe. 
In Bezug auf die Schuldfrage war die Norm der Entscheidung bereits 
durch das Erkenntniß des Obertribunals vom 26. Juni d. J. gegeben und 
dem Stadtgerichte nur noch die Bestimmung des Strafmaßes überlassen. 
In diesem Betreff spricht sich nun das Erkenntniß des Stadtgerichts wie folgt
	        
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