Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

               Die süddeutschen Staaten.                       187 
zubieten, um die Reorganisation des. Zollvereins in einer Art und Weise zu 
erzielen, welche die wirthschaftlichen Interessen aller Betheiligten sichert. Ich 
habe bereits in der letzten Sitzung angedeutet, daß’ die gedeihliche Lösung 
dieser Frage durch eine Discussion in diesem hohen Hause beeimrächtigt 
werden könnte. Ich kaun es nicht unterlassen, diese Besorgniß heute zu 
wiederholen. Ich glaube, daß auch die Regelung des künstigen deutschen 
Verfassungsverhältnisses dadurch nicht gefördert werden dürfte, daß die Mo- 
dalitäten derselben jetzt schon einer eingehenden Erörterung unterstellt werden, 
nachdem die Staatsregierung es als ihre Aufgabe erklärt hat, auf dem Wege 
der Verhandlung und des Vertrages die Reconstituirung Deutschlands anzu- 
streben. Möge Ihr Vertrauen, möge das Vertrauen des Landes mich auf 
diesem Wege, dessen innere und äußere Schwierigkeiten ich mir nie verhehlt 
habe; geleiten und schützen."“ 
Der Führer der Linken, M. Barth, erklärt hierauf, daß die 
Unterzeichner des Adreßantrags „bei dem Vertrauen, das sie zu der 
Erklärung des Ministers hegen,“ in der Lage seien, denselben zurück- 
zuziehen. Nach kurzer Debatte darüber wird die Zurückziehung des 
Antrags einstimmig genehmigt. 
Die beiden Fractionen des Centrum und der Rechten hatten motivirte 
Tagesordnungen vorbereitet, die sie jetzt fallen lassen. Diejenige der Cen- 
trumspartei ging dahin: „1) Die Einigung der Gesammtzahl der deutschen 
Stämme und, soweit dieß nicht möglich, der größeren Zahl derselben unter 
einer starken Centralgewalt mit Wahrung der Autonomie der einzelnen 
Stämme in ihren besonderen Angelegenheiten und unter Sicherung der Frei- 
heit des Volkes durch eine ausreichende parlamentarische Verfassung erscheint 
auch uns als der anzustrebende Zielpunkt der bayerischen Politik; die zur 
Erreichung dieses Zieles nothwendigen Opfer zu bringen, wird das bayerische 
Volk nicht anstehen. 2) Ein Eintritt in den norddeutschen Bund erscheint 
zur Zeit und bei dessen jepiger Gestaltung weder möglich, noch zweck- 
mäßig. 3) Wir sind mit der Staatsregierung vollkommen dahin einver- 
standen, daß kein Schritt geschehe, der der schließlichen Einigung Deutsch- 
land's störend oder gar hindernd in den Weg treten könnte. 4) Inzwischen 
ist eine Allianz mit Preußen zum Schutze deutschen Gebietes und deutscher- 
Interessen durch die jetzige Lage der Dinge dringend geboten. Sie ist auch 
nicht minder wichtig für unsere eigenen staatlichen wie wirthschaftlichen Zu- 
stände. Die hiedurch gebotene Erhöhung unserer Wehrkraft unter Zugrunde- 
legung der allgemeinen Wehrpflicht halten auch wir für nothwendig, wollen 
aber dabei auf die Schonung der wirthschaftlichen und finanziellen Kräste 
des Landes jeden mit der Erreichung des Zweckes vereinbarten Bedacht ge- 
nommen wissen. Im Falle eines Krieges für deutsche Interessen wird die 
Stellung der bayer. Heeresmacht unter Preußens Führung nur vollständig 
gerechtfertigt sein. Da mit diesen unseren Anschauungen die erwähnte mini- 
sterielle Erklärung im Wesentlichen übereinstimmt, sohin ein Grund zur Er- 
lassung einer Adresse an die Krone nicht vorliegt, so 2c." Die Erklärung 
der Rechten (der sich indeß die ausgesprochen ultramontanen Mitglieder 
nicht angeschlossen hatten) besagte: „Die Unterzeichneten sind einverstanden 
mit dem Hauptzielpunkte, welchen die königl. Staatsregierung als den von 
ihr in der deutschen Frage angestrebten bezeichnet hat; sie sind einver- 
standen mit der Zurückweisung des in der Motivirung des Antrages auf 
eine Adresse in Aussicht genommenen Einheitsstaates und des eben dort ge- 
forderten Einiritts in den norddeutschen Bund, als nach den gegebenen Ver- 
hältnissen unmöglich und nach dessen derzeitiger Gestaltung nicht wünschens- 
werth; sie stimmen überein mit der Abweisung jeder Erneuerung des Rhein- 
bundes und mit der Ansicht, daß die Bildung eines süddeutschen Bundes
	        
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