Die süddeutschen Staaten. 217
das Gesetz vom Bundeêrath, d. h. thatsächlich von Preußen, und von einem
Parlament dictirt würden, in welchem bloß das preußische Interesse gebieten
würde; daß daher mit den Verfassungsrechten der süddeutschen Länder und
mit der Wahrung ihrer Lebensinteressen eine Zustimmung der Stände zu
den vorliegenden Zollvereins= und Salzsteuerverträgen ganz unvereinbar
wäre.“. Der Bericht fügt noch bei: „Wenn die hohe Kammer diesen Antrag
zum Beschluß erhebt, so läge darin keineswegs ein Antrag auf Kündigung
des Zollvereins, welche diesseits niemand beabsichtigen dürfte, vielmehr nur
ein Festhalten an den seitherigen vertragsmäßigen Verhältnissen, so lange
diese nicht in annehmbarer Weise durch einen anderweitigen Vertrag mit
ständischer Genehmigung geändert werden sollten. Würde eine Kündigung
von anderer Seite erfolgen, wäre es alsdann Aufgabe der kgl. Regierung,
auf eine solche Uebereinkunft hinzuwirken, welche mit den Interessen der süd-
deutschen Länder, der Unabhängigkeit ihrer Regierungen und den verfassungs-
mäßigen Rechten ihrer Landesvertretungen im Einklang stände und die Zu-
stimmung der Stände erhalten könnte.“
Motive der annehmenden Hälfte (Zeller): „.. . Aus der Ver-
gleichung der wesentlichen Abweichungen des neuen Zollvereinsvertrags von
dem im Mai 1865 abgeschlossenen ergibt sich, daß zwar die neu einzu-
führende Salz= und Tabakssteuer, hauptsächlich wegen der Höhe der ersteren
und der Nichtunterscheidung zwischen Siede= und Steinsalz, unseren volks-
wirthschastlichen Interessen nicht entsprechen, daß dagegen die Einführung
einer andern Verfassung des Zollvereins, besonders die künftige Mitwirkung
einer gemeinsamen Volksvertretung bei der Zollgesetzgebung, verschiedenen
tief empfundenen Uebelständen abhilft, während die Erweiterung des Vereins-
gebiets und der Wegfall einiger innern Verkehrshemmnisse der volkswirth-
schaftlichen Entwicklung des Vereins förderlich sind und bei den Einnahmen
unserer eigenen Staatskasse keine Einbuße zu besorgen ist. Bei einer Ab-
wägung des Werths dieser Vortheile und Nachtheile kommt es darauf an,
wie hoch dieselben nach fubjectiver Beurtheilung angeschlagen werden. Wer
in der Mitwirkung einer wahren Volksvertretung bei der Gesetzgebung über
das Zollwesen und die damit zusammenhängenden Handels= und Verkehrs-
angelegenheiten einen nicht geringen Fortschritt erblickt, wird die das einzelne
Land trefsenden wirthschaftlichen Nachkheile um so leichter verschmerzen, da es
sich nicht um eine ausnahmsweise größere Belastung oder Erleichterung
handelt, sondern nur innerhalb des Zollgebiets ein Zustand hergestellt werden
soll, der den natürlichen Verhältnissen entspricht und alle künstlichen Be-
günstigungen und Erschwerungen der Production und des Verkehrs beseitigt.
Diese Vortheile sind allerdings nicht ohne die Aufopferung von constitutio-
nellen Rechten der Einzelnstaaten zu erreichen. Es ist jedoch die natürliche
und nothwendige Folge einer jeden Vereinigung für irgendeinen gemeinsamen
Zweck, daß, um denselben zu erreichen, der Theil dem Ganzen, der Einzel-
wille dem Gesammtwillen, die Minderheit der Mehrheit sich unterordnen
muß, und wenn man dem in der Minderheit befindlichen Einzelnen das
Recht einräumt, durch seinen Widerspruch das zu vereiteln, was die andern
für nothwendig halten, so wird, wie wir oben gezeigt haben, entweder dieses
Recht zum bloßen Schein, oder es wird durch dessen Ausübung die Existenz
des Vereins fortwährend in Frage gestellt. Demnach sollte eine Einrichtung,
durch die der im Zollverein bisher vorhandene unnatürliche Zustand auf
richtigere Grundlagen zurückgeführt wird, und jeder im Zollverein das gilt,
was er werth ist, nicht zu beanstanden sein. Wer aber diese Anschauung
nicht theilt, der möge bedenken, daß von der Annahme oder Ablehnung der
vorliegenden Verträge und Uebereinkünfte die fernere Theilnahme
Württembergs an dem deutschen Zollverein abhängt.“
26.—27. Sept. Zweiter Protestantentag in Neustadt a. d. H. Zahlreiche