Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

             Die sũddeutschen Staaten.                       219 
stören. Eine Verwerfung des Schutz-- und Trutzbündnisses hieße, den 
fremden Gegnern unserer Nationalsache die Ueberzeugung wieder nehmen, 
daß sie bei Angriffen auf das deutsche Gebiet geschlossenem Widerstande der 
deutschen Nation begegnen. 2) Der norddeutsche Bund ist kein Hinderniß 
für die freiheitliche Entwicklung der einzelnen Landesverfassungen. Im 
Gegentheil ist. durch die Beseitigung des Bundestages uns ein freier Spiel- 
raum für längst verheißene Verfassungsreformen, besonders für directes und 
allgemeines Wahlrecht eröffnet. 3) Die so sehr vermehrte Eisenbahnschuld, 
die im vorigen Jahre entstandenen Kriegskosten und die Neuorganisation des 
Heeres bedingen eine entsprechende Erhöhung der Staatsausgaben; es ist je- 
doch unzulässig, den Mehrbedarf einfach durch Zuschlag auf die bisherigen, 
am Wenigsten auf die directen Steuern zu decken, vielmehr ist es erforderlich, 
neben Ersparnissen eine Steuerresorm einzuführen.“ 
8. Sept. (Bayern). Die beiden Erzbischöfe und sämmtliche sechs 
 
Bischöfe des Königreichs richten eine Adresse an den König gegen 
den vom Ministerium entworfenen, bisher aber noch nicht einmal 
offiziell veröffentlichten Entwurf eines neuen Schulgesetzes. 
Die Adresse beklagt sich zunächst darüber, daß, während das Ministerium 
des Innern für Kirchen= und Schulangelegenheiten in der jüngsten Zeit aus 
allen Theilen des Königreichs eine Commission berief, um mit derselben 
den Entwurf jenes zu erlassenden Schulgesetzes zu berathen, es nicht für 
zweckmäßig erachtet worden, das Gutachten der Bischöfe des König- 
reichs bezüglich dieser so überaus wichtigen legislativen Arbeit einzuholen, 
„obgleich sie es doch vor Allen sind, welchen ihrem Amt gemäß die Pflege 
und Ueberwachung der Volksschule zusteht, sie also auch vornehmlich dazu 
berufen erscheinen, bei der Berathung des Entwurfs eines Schulgesetzes in 
seinen ersten Präliminarien sowohl, als auch in dessen Ausarbeitung mit 
ihren reichlich gesammelten Erfahrungen und wohlberechtigten Wünschen 
wenigstens gehört zu werden. Was jedoch von diesem Schulgesetzentwurf bis 
jetzt in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, genügt, um den Episcopat des 
Königreichs an seine ernste Verpflichtung zu erinnern, ohne längeres Zögern 
Verwahrung gegen dieses Gesetz einzulegen und an Eure k. Majestät die 
ehrerbietigste Bitte zu richten, die Vorlage eines solchen Entwurfs des Schul- 
gesetzes an die Kammern nicht zu genehmigen. Denn das erste Prinzip 
dieses Schulgesetzentwurfes, abgesehen von all' den einzelnen Folgerungen, 
welche aus demselben in völliger Mißkennung der unveräußerlichen 
Rechte der Kirche auf die Schule abgeleitet und nunmehr gesetzlich 
zum Nachtheil der Kirche und der Schule festgestellt werden sollen — das 
erste Prinzip ist: die völlige Terennung der Schule von der Kirche, 
die Verkümmerung der religiösen Erziehung, welche Grundlage und Endziel 
der ganzen Schulbildung sein soll, zu einem der verschiedenen Fächer, welche 
den Lehrstoff der Volksschule zu bilden bestimmt sind, die Beseitigung des 
Einflusses der Seelsorger auf die Leitung der Schule, obgleich deren kirch- 
liches Amt unbestreitbar sich auf die einheitliche Gesammtbildung der jugend- 
lichen Seelen erstreckt — mit einem Worte: die Entchristlichung der Schule. " 
29. „ (Württemberg). Landesversammlung der (demokratischen) 
Volkspartei in Stuttgart. Dieselbe beschließt: 
„Die Landesversammlung der Volkspartei, in Uebereinstimmung mit der 
Antwortadresse der Kammer der Abgeordneten im vorigen Jahr und der An- 
sprache der Landesversammlung vom 6. Januar d. J. an das württem- 
bergische Volk, beschließt in Betreff der heute vorliegenden wichtigen Fragen 
ihre Ansicht mit solgendem auszusprechen: 1) Die neuen Zollvereins= und 
Schutz= und Trutzverträge bringen Süddeutschland dem preußischen Staat 
gegenüber in einen Zustand der Abhängigkeit, dessen nothwendige Folge das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.