Oeslerreich. 279
9. Juli. Vice-Admiral Tegethoff geht mit einem Kriegsschiff der kais.
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Marine nach Mexico ab, um den Leichnam des Kaisers Max zu
reclamiren.
„ Reichsrath: Das Abg.-Haus genehmigt das ihm von der Re-
gierung vorgelegte Ministerverantwortlichkeitsgesetz nach den Modi-
ficationen des Ausschusses mit großer Mehrheit.
Der Abg. Mühlfeld begründet seinen Antrag, einen Ausschuß
niederzusetzen, um den in der ersten Session der ersten Wahlperiode
von dem damals bestandenen confessionellen Ausschusse vorgelegten
Entwurf eines Religionsgesetzes (s. Gesch Kal. Jahrgg. 1862 S. 194)
in Behandlung zu nehmen.
Rede Mühlselds: „ .. Die Entfremdung Deutschland's von Oesterreich,
sie ist nicht von heute, wo die Trennung durchgeführt wurde, sie datirt aus
den Zeiten der Resormation. Und wenn heute die Stellung Oesterreich's so
ist, wie wir sie finden, wenn heute namentlich, um wieder den Blick nach
Deutschland zu wenden, die Trennung durchgeführt ist, wie sie voriges Jahr
in Folge der bekannten Niederlage eintrat, so kann man, die Hand auf's
Herz gelegt, sich das Geständniß nicht verwehren: die Schuld davon liegt in
der Unduldsamkeit in Bezug auf die Religion. Die vollste Umkehr in Bezug
auf die Gesetze und das Verhalten, so weit es die Religion und deren Aus-
übung belangt, hat in Oesterreich von Seite der Regierung einzutreten.
„ Ein kais. Handschreiben enthebt den Grafen Crenneville von der
Stelle eines ersten Generaladjutanten und Vorstandes der General-
adjutantur des Kaisers und hebt dieses Institut überhaupt auf. Der
Kriegsminister wird dadurch erst zu einem wirklich verantwortlichen
Minister gemacht.
„ „ Reichsrath: Herbst und 70 Genossen tragen im Abg.-Hause darauf
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an, zu beschließen, es seien folgende Gesetzesentwürfe zu verfassen
und dem Hause vorzulegen:
1. Der Entwurf eines Gesetzes, durch welches das Cherecht des bürger-
lichen Gesetzbuches wiederhergestellt und die Jurisdiction in Ehesachen wieder
den weltlichen Gerichten überlassen werde. 2. Der Entwurf eines Gesetzes,
wodurch die Emancipation der Schule von der Kirche durchzuführen sei, und
3. der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der interconfessionellen Ver-
hältnisse, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichstellung der ver-
schiedenen Confessionen.
Die Absicht der Antragsteller geht dahin, der Schwierigkeit eines allg.
Religionsgesetzes nach dem Antrage Mühlfelds Rechnung zu tragen und
daher das Concordat vielmehr sofort auf den wichtigsten Gebieten thatsächlich
zu durchbrechen.
„ Reichsrath: Der Finanzminister v. Becke legt dem Abg.-Hause
ein sehr einläßliches Exposé über die Lage der Staatsfinanzen seit
dem Jahre 1861 vor.
Der Minister gibt darin den Betrag der Staatsschuld zu 3046 Mill. fl.
Kapital an mit rund 127 Mill. jährlicher Zinsen und einer jährlichen Amor-
tisationsquote von durchschnittlich 24 Mill. und stellt sich zum Schluß die
Frage: „Ist denn noch Hoffnung, Aussicht vorhanden, aus dieser traurigen
Lage mit Ehren herauszukommen?“, die er dahin beantwortet: „Nach meiner
innigsten Ueberzeugung bejahe ich diese Lebensfrage."