Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Oesterretich. 
Das voluminöse Aktenstück enthält einen historischen Rückblick auf die 
Verhältnisse, unter denen das Concordat zu Stande kam, und beschästigt sich 
dann mit der Ehe und der Schule, in welcher Hinsicht vor Allem die Civil- 
ehe verdammt und der Materialismus der Gegenwart gerügt wird. Dasselbe 
schließt dahin: „Doch es gilt nicht der katholischen Religion allein, es gilt 
dem Christenthume. Eure Majestät, die treugehorsamst Unterzeichneten haben 
dem Richter der Lebendigen und Todten für das Seelenheil von siebenzehn 
Millionen Erlösler einst Rechnung zu legen, und in einer Zeit, welche ent- 
scheidend werden kann, ist es für sie eine heilige Pflicht, der Wahrheit laut 
und ohne Rückhalt das Zeugniß zu geben. Außer Italien gibt es kein Land, 
wo die heiligsten Güter der Menschheit Angriffen von solcher Schamlosigkeit 
und Tragweite so schutzlos preisgegeben wären, wie in Oesterreich; das Ge- 
setz ist ohnmächtig geworden. Es hat eine schmerzliche Ueberraschung erregt, 
daß es am Weihnachtstage, an dem selbst der Gleichgiltige einen Anhauch 
von oben fühlt, in der Hauptstadt des Reiches gestattet war, das Christen- 
thum öffentlich als ein Mährchen zu verspotten. Damit war ein Versuch ge- 
macht, ob jedem Frevel am Christenthume Straflosigkeit gesichert sei; es ist 
gelungen, und der Sieg über das Gesetz wird mit der Frechheit ausgebeutet, 
welche zum Handwerke gehört. Das berührt nicht die Katholiken allein; es 
berührt in gleicher Weise die Protestanten, welche Christen sind. Doch, wie- 
wohl man bis gegen Ende des vorigen Jahres einige Vorsicht beobachtete, 
der Sache nach geschieht nichts Neues; schon früher, schon seit die Unter- 
wühlung der sittlichen Ueberzeug ungen ein einträgliches Geschäft geworden 
ist, fand der Haß gegen das Christenthum Stimmen, die für ihn wirkten und 
ihn nährten. Was also der Jammerschrei gegen das Concordat bedente, kann 
Niemandem mehr verborgen sein; er bedeutet: Wir wollen eine Ehe ohne 
Festigkeit und Heiligung; wir wollen eine Schule ohne Religion und sittlichen 
Ernst. Aber die, welche dieß wollen, mögen noch so laut die Stimme er- 
beben, sie sind ein sehr kleiner Bruchtheil der Bevölkerung, und mit dem 
Concordate vertritt man die wahrhaften Wünsche und Interessen des Volkes. 
Die treugehorsamst Unterzeichneten sind sich also bewußt, durch Vertheidigung 
der Rechte der Kirche für Gott, Thron und Volk einzustehen, und stellen 
ihre Sache, deren Gerechtigkeit einleuchtend ist, mit vollem Vertrauen unter 
den Schutz Eurer Majestät." 
30. Sept. (Ungarn). Der Landtag nimmt seine Sitzungen wieder auf. 
„ Der Gemeinderath von Wien sucht neuerdings von der Regierung 
die vom Ministerium Belcredi mit Rücksicht auf das Concordat ver- 
weigerte Erlaubniß zu Errichtung einer Lehrerfortbildungsanstalt zu 
erlangen. Der provis. Unterrichtsminister v. Hye gibt eine aus- 
weichende Antwort. 
3. Oct. Reichsrath: Das Abg.-Haus nimmt die am 19. Juli einge- 
brachte Strafgesetznovelle an und wählte die ihm zustehenden 12 Mit- 
glieder in den neuen Staatsgerichtshof (nach dem Gesetz über die 
Verantwortlichkeit der Minister). 
„ Reichsrath: Der Obmann des confessionellen Ausschusses des 
Abg.-Hauses macht demselben die Mittheilung, er habe den Cultus- 
minister v. Hye zur Sitzung eingeladen, als Antwort jedoch folgende 
Eröffnung erhalten: 
„Im Schooße des Cullusministeriums sei ein interconfessionelles Gesetz 
bereits im Entwurfe sertig, auch im Ministerrathe durchberathen und voll-
	        
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