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ständig angenommen worden; er habe es jedoch für nöthig erachtet, vor Ein-
bringung dieses Gesetzes im Hause sich mit dem Cardinal Rauscher ins
Einvernehmen zu setzen. Letzterer habe ihm nun mitgetheilt, daß er zur Zeit
des Concordat-Abschlusses mit einer Generalvollmacht der Regierung versehen
worden, kraft welcher keine Verhandlung über interconfessionelle Angelegen-
heiten, speciell über gewisse Punkte (Mischehen), ohne Zustimmung der Curie
ins Werk gesetzt werden könne. Um eine Weiterführung der diesbezüglichen
Verhandlungen einzuleiten, habe das Ministerium den Baron Hübner aus
Rom hieherberusen. Dieser habe nun die Mittbeilung gemacht, daß in den
Monaten September und October eine Verhandlung in Rom unmöglich sei,
weil die Congregationen aufgelöst seien und ihr Zusammentritt für die
nächste Zukunft nicht in Aussicht stehe mit Rücksicht auf die in Rom
herrschende Cholera, daß also vor November eine Rückantwort nicht leicht er-
folgen könne.“
Der Ausschuß beschließt einstimmig, eine Vorlage der Regierung
unter solchen Umständen nicht abzuwarten, sondern selbständig mit
der Ausarbeitung eines Schulgesetzes, eines Ehegesetzes und eines
Gesetzes über interconfessionelle Verhältnisse (Religionsedict) vorzu-
gehen und beginnt auch sofort mit der Berathung des ihm vor-
liegenden Entwurfes eines Schulgesetzes, das von dem Grundsatze
ausgeht, daß „mit Ausnahme des Religionsunterrichts derjenige in
allen übrigen Lehrgegenständen von dem Einflusse jeder Kirche oder
Religionsgenossenschaft unabhängig sei“.
4. Oct. Stürmische Sitzung des Wiener Gemeinderathes: Eine Stelle
der Bischofsadresse an den Kaiser wird als eine verläumderische
Hindeutung auf die von der Commune beabsichtigte Gründung einer
Lehrerfortbilbdungsanstalt aufgefaßt und mit allen gegen 1 (geistliche.)
Stimme beschlossen, eine Verwahrung dagegen in einer Adresse an
den Kaiser auszusprechen.
— „ Eine große Stadt der Monarchie nach der andern richtet, theil-
weise sehr energisch gehaltene, Petitionen an das Abg.-Haus des
Reichsraths um Beseitigung des Concordats im Gegensatz gegen die
Adresse der 25 Erzbischöfe und Bischöfe.
5. „ Reichsrath: Das Abg.-Haus tritt in die Berathung der ihm vom
Verfassungsausschuß vorgelegten 4 Staatsgrundgesetze
über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger,
über die Ausübung der Regierungs= und Vollzugsgewalt,
über die richterliche Gewalt,
über die Errichtung eines Reichsgerichts,
ein und beschließt mit Zweidrittel-Majorität, daß die von der Februar-
verfassung für Aenderungen derselben geforderte Zweidrittel-Majorität
auf die vorliegenden Grundgesetze keine Anwendung finde.
„ „ (Ungarn). Landtag: Die Regierung legt demselben das von
den Ausgleichsdeputationen beider Reichshälften vereinbarte Quoten-
gesetz, das Staatsschuldgesetz und ein Zoll= und Handelsbündniß vor.
7. „ Der Kaiser überweist die Adresse der Bischöfe dem Ministerium
zu verfassungsmäßiger Behandlung.
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