456 Kußland. (März 15—31.)
15. März. Die von der Regierung eingesetzte Kommission
zu Prüfung der Indenfrage hat ihre Arbeiten vollendet. Ihr Be-
richt stellt, auf Grund der Anträge der Lokalkommissionen, folgende
Forderungen auf:
1) Es foll den Jnden verboten werden, sich mit der Fabrikation oder
mit dem Ausschank geistiger Getränke zu befassen. 2) Alle Inden, die in
den kleinen Städten und Dörfern wohnen, sollen aus denselben vertrieben
werden. 3) Es soll den Juden verboten werden, Felder und Grundeigentum
zu erwerben. 4) Es soll den Inden das aktive Wahlrecht für alle Gemeinde-
ämter, selbst in denjenigen Städten, in welche sie die Majorität der Be-
völkerung bilden, genommen werden. (Das passive Wahlrecht haben stc nie
gehabt; kein Jube durite ein städtisches Amt bekleiden.) 5) E I den
Inden gestattet werden, an den Ufern des Kaspischen Meeres sich Sshloschden
jedoch ohne irgend welche Unterstützung oder Beihilfe der Regierung. Der
„Israelit“ konstatiert, daß mehr als eine Million Israeliten sich gegenwärtig
mit der Fabrikation und dem Ausschank geistiger Getränke befassen.
22. März. Der Kaiser ergreift die Gelegenheit der Geburts-
tagsfeier des deutschen Kaisers zum Ausdruck seiner Freundschaft
und zu einer Demonstration für Aufrechthaltung des Friedens in
einem Toast und in einem Telegramm an den Kaiser.
28. März. Der Unterrichtsminister Baron Nikolai verlangt
und erhält seine Entlassung, da sein Vorschlag, den Schülern der
Nealgymnasien den Zutritt zu den Universitäten zu ermöglichen,
nicht angenommen worden ist. Sein Nachfolger Deljanoff gilt als
ein Anhänger des Systems Tolstoi. Der Wechsel wird dem Ein-
flusse Katkow's zugeschrieben.
30. März. Attentat in Odessa auf den General Strelnikoff.
Der General, bisher Prokurator des Kriegsgerichts in Kijew, war
nach Odessa berufen worden, um bei der Ausrottung des Nihilis=
mus mitguwirken, und wird auf dem Voulevard vor dem Palais
des Generalgouverneurs Gurko durch NRevolverschüsse niedergestreckt.
Die Thäter werden ergriffen.
31. März. Rückkehr der ersten russischen Handelskarawane
aus Merw nach Aschabad.
Die Erschließung der Thore von Merw für den russischen Handel
als Markt ist mithin Thatsache. Zuversichtliche turkmenische Führer haben
es übernommen, auch für die Zukunft Gjede russische Karawane sicher von
Tschardscha nach Aschabad zu geleiten. Der Karawanenweg aus Khiwa und
Kisil-Arwat ist durch eine vorkrefflich organisierte Miliz ebenfalls gesichert;
die einzige Gefahr, welche den 2ischen Handel bedroht, geht von den
bucharischen Turkmenen am Amun-Darja aus. Trot der streitenden Parteien
unter den telinischen Stämmen scheint der freiwillige Anschluß derselben an
Rußland, diejenigen ausgenommen, welche in der Nähe von Musderan und
Saraks auf persischem Gebiet leben, nur eine Frage der Zeit zu sein. Die
russische Regierung hat den Turlmenen im Falle freiwilliger Unterwerfung