Object: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

456 Kußland. (März 15—31.) 
15. März. Die von der Regierung eingesetzte Kommission 
zu Prüfung der Indenfrage hat ihre Arbeiten vollendet. Ihr Be- 
richt stellt, auf Grund der Anträge der Lokalkommissionen, folgende 
Forderungen auf: 
1) Es foll den Jnden verboten werden, sich mit der Fabrikation oder 
mit dem Ausschank geistiger Getränke zu befassen. 2) Alle Inden, die in 
den kleinen Städten und Dörfern wohnen, sollen aus denselben vertrieben 
werden. 3) Es soll den Juden verboten werden, Felder und Grundeigentum 
zu erwerben. 4) Es soll den Inden das aktive Wahlrecht für alle Gemeinde- 
ämter, selbst in denjenigen Städten, in welche sie die Majorität der Be- 
völkerung bilden, genommen werden. (Das passive Wahlrecht haben stc nie 
gehabt; kein Jube durite ein städtisches Amt bekleiden.) 5) E I den 
Inden gestattet werden, an den Ufern des Kaspischen Meeres sich Sshloschden 
jedoch ohne irgend welche Unterstützung oder Beihilfe der Regierung. Der 
„Israelit“ konstatiert, daß mehr als eine Million Israeliten sich gegenwärtig 
mit der Fabrikation und dem Ausschank geistiger Getränke befassen. 
22. März. Der Kaiser ergreift die Gelegenheit der Geburts- 
tagsfeier des deutschen Kaisers zum Ausdruck seiner Freundschaft 
und zu einer Demonstration für Aufrechthaltung des Friedens in 
einem Toast und in einem Telegramm an den Kaiser. 
28. März. Der Unterrichtsminister Baron Nikolai verlangt 
und erhält seine Entlassung, da sein Vorschlag, den Schülern der 
Nealgymnasien den Zutritt zu den Universitäten zu ermöglichen, 
nicht angenommen worden ist. Sein Nachfolger Deljanoff gilt als 
ein Anhänger des Systems Tolstoi. Der Wechsel wird dem Ein- 
flusse Katkow's zugeschrieben. 
30. März. Attentat in Odessa auf den General Strelnikoff. 
Der General, bisher Prokurator des Kriegsgerichts in Kijew, war 
nach Odessa berufen worden, um bei der Ausrottung des Nihilis= 
mus mitguwirken, und wird auf dem Voulevard vor dem Palais 
des Generalgouverneurs Gurko durch NRevolverschüsse niedergestreckt. 
Die Thäter werden ergriffen. 
31. März. Rückkehr der ersten russischen Handelskarawane 
aus Merw nach Aschabad. 
Die Erschließung der Thore von Merw für den russischen Handel 
als Markt ist mithin Thatsache. Zuversichtliche turkmenische Führer haben 
es übernommen, auch für die Zukunft Gjede russische Karawane sicher von 
Tschardscha nach Aschabad zu geleiten. Der Karawanenweg aus Khiwa und 
Kisil-Arwat ist durch eine vorkrefflich organisierte Miliz ebenfalls gesichert; 
die einzige Gefahr, welche den 2ischen Handel bedroht, geht von den 
bucharischen Turkmenen am Amun-Darja aus. Trot der streitenden Parteien 
unter den telinischen Stämmen scheint der freiwillige Anschluß derselben an 
Rußland, diejenigen ausgenommen, welche in der Nähe von Musderan und 
Saraks auf persischem Gebiet leben, nur eine Frage der Zeit zu sein. Die 
russische Regierung hat den Turlmenen im Falle freiwilliger Unterwerfung
	        
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