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Frankreich.
die Nachbarstaaten sich sehr schwere Opfer auferlegen für eine gute Heeres-
verfassung; sie haben die Augen auf uns gehestet, um aus Ihren Beschlüssen
zu beurtheilen, ob der Einfluß Frankreich's in der Welt wachsen oder sich
vermindern wird. Halten wir unsere nationale Fahne stets in derselben
Höhe; das ist das sicherste Mittel, den Frieden zu bewahren. Unser
Werk in diesem Augenblicke ist, die öffentlichen Sitten für die Ausübung
liberalerer Institutionen heranzubilden. Bisher ist die Freihcit in Frankreich
nur ephemer gewesen, sie hat nicht im Boden Wurzel fassen können, da der
Mißbrauch sogleich auf den Gebrauch folgte, und die Nation vorgezogen hat,
die Ausübung ihrer Rechte zu beschränken, als die Unordnung in den Ideen
wie in den Sachen zu erdulden. Es ist Ihrer und meiner würdig, eine
ausgedehntere Anwendung von den großen Prinzipien, welche der Ruhm
Frankreichs sind, zu machen; ihre Ausdehnung wird nicht, wie ehedem, das
nöthige Ausehen der Antorität gefährden. Die Regierungs-Gewalt ist heute
sest gegründet, und die brennenden Leidenschaften, die einzigen Hindernisse der
Ausdehnung unserer Freiheiten, werden in der Unermeßlichkeit der allge-
meinen Abstimmung erlöschen. Ich hege das beste Vertrauen in den gesunden
Verstand und den Patriotismus des Volkes, und, gestützt auf mein Recht,
welches ich von ihm erhalten habe, gestützt auf mein Gewissen, welches nur
das Gute will, fordere ich Sie auf, mit mir mit sicherem Schritt auf der
Bahn der Civilisation zu wandeln.“
45. Febr. Gesetzgeb. Körper: Die seit 1852 beseitigte Rednertribüne ist
wieder hergerichtet. Die Regierung legt, zum ersten Mal seit 1860,
das Budget für 1869 wieder rechtzeitig vor. Die Minister Baroche
und Forcade werden durch kais. Decret zu ständigen Vertretern der
Regierung neben dem Staatsminister Nouher ernannt.
Senat: Nouher bringt ein Senatsconsult ein, das in Abänderung
des Art. 26 der Verfassung die constitutionellen Besugnisse des
Senats erweitert:
„Der Senat widersetzt sich der Promulgation: 1) der Gesetze, welche ent-
gegen wären der Verfassung, der Religion, der Moral, der Freiheit der Culte,
der individuellen Freiheit, der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, der Un-
verletzlichkeit des Eigenthums und dem Princip der Unabsetzbarkeit der Ma-
gistrate; 2) jener, welche die Vertheidigung des Staatsgebiets compremittiren
könnte. Der Senat kann serner, bevor er über die Promulgation eines
Gesetzes erkennk, beschließen, wenn dasselbe ihm wichtiger Modificationen be-
dürftig scheint, daß das Gesetz einer neuen Berathung im gesetzgebenden
Körper unterzogen werde. In diesem Fall sprichk der Senat seine Ansicht
in einem an den Kaiser erstatketen Bericht aus. Wenn in einer zweiten
Berathung der gesetzgebende Körper das Gesetz ohne Veränderung annimmt,
so entscheidek der Senat nur noch über die Frage, ob er gemäß Art. 1 und
2 dieses Acts sich der Promulgation des Gesetzes entgegenstellt, oder nicht.“
„ Gesetzgeb. Körper: Bei der Wahl der Secretäre der Kammer
unterliegt die voriges Jahr entstandene Mittelpartei vollständig.
„ (Luxemhurg). Der holländische Gesandte in Paris regt die
Luxemburgische Frage an (s. Holland).
„ Gesetzgeb. Körper: Debatte über die Interpellation wegen eines
vom Generalpostdirector Vandal am 24. Jan. d. J. erlassenen Cir-
culars, durch welches derselbe seine Untergebenen anweist, einen
autographirten Brief des Grafen Chambord nicht bloß unter Kreuz-
band, sondern auch „in geschlossenen Briefcouverts“ in Beschlag zu