Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Frankreich. 339 
nehmen und nach Paris einzusenden. Rouher und Vandal selbst 
geben das Ungesetzliche der Maßregel zu. Auf den Antrag der 
Mittelpartei wird Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. 
25.—26. Febr. Gesetzgeb. Körper: Debatte über die Interpellation Jan- 
juingis bez. Abschaffung der Adreßdebatte. Reden Nouhers und 
Favres. Ollivier und die Mittelpartei erklären sich als Satisfaits 
und beginnen den Credit mehr und mehr gänzlich zu verlieren. 
Mit 241 gegen 25 Stimmen wird beschlossen, zur Tagesordnung 
überzugehn. ·· 
28. Febr. (Luxemburg). Frankreich benützt die holländische Depesche v. 
20. Febr., um seinen Gesandten im Haag zu beauftragen, nicht bloß 
gemeinsam mit Holland die Näumung der Festung Luxemburg 
Seitens der preuß. Besatzung zu erwirken, sondern auch geradezu die 
Abtretung des Landes von Seite des Königs von Holland an Frank- 
reich im Haag anzuregen. Die franz. Regierung würde sich indeß 
für diesen Fall allein vorbehalten, mit der preußischen eine vertrau- 
liche und freundschaftliche Unterhandlung zu eröffnen: 
„Die Mittheilung des Haager Cabinets vom 20. d. M. regt, wie ich 
Ihnen sagte, wichtige Fragen an, welche zu prüsen unsere Pflicht ist. Be- 
sonders muß unsere Ausmerksamkeit bei der internationalen Stellung Lim- 
burgs und Luxemburgs verweilen. Das diesen Gebieten vorbehaltene Loos 
interessirt in hohem Grade die westlich von Deutschland gelegenen Staaten, 
namentlich Frankreich, vom Standpunkt der Sicherheit ihrer Grenzen aus. 
Diese drei Staaten verdanken es dem System des Mißtrauens gegen uns, 
daß sie an den deutschen Bund geknüpft wurden; aber die zufälligen, durch 
verjährte politische Uebereinkünfte geschaffenen Bande wurden in dem Augen- 
blick zerrissen, da der deutsche Bund sich auflöste. Vom gesetzlichen Stand- 
punkt aus ist der König von Holland heute berechtigt zu behaupten, daß die 
Gebiete, um welche es sich handelt, von jeder Servitut befreit siud, und daß 
das Preußen übertragene Recht, in Luxemburg Garnison zu halten, mit den 
Einrichtungen wegfiel, die es allein begründeten und rechtfertigten. Limburg 
ist nichts anderes mehr als eine holländische Provinz, und das Großherzog= 
thum muß als ein vollkommen unabhängiger Staat angesehen werden, regiert 
von einem Großherzog, der zufälligerweise gleichzeitig König von Holland ist. 
Was Luxemburg betrifst, welches uns am nächsten liegt, so könnte Preußen 
in Abwesenheit eines förmlichen Rechts sich auf keinerlei Verwandtschaft mit 
ihm berusen: die wohlbekannten Gesinnungen, die erklärten Sympathien der 
Bevölkerungen entsernen sie von jeder Vereinigung mit Deutschland; ihre 
Neigungen sind weit eher Frankreich zugekehrt. Das sind Thatsachen, welche 
wir in Betracht ziehen müssen, und wir würden bedauern, wenn man darüber 
jenseits des Rheins anders dächte. Nicht nur unsere materiellen Interessen 
wären dann bedroht, sondern wir hätten die weiteren Tendenzen ins Auge 
zu fassen, welche diese von den unfrigen abweichenden Anschauungen ver- 
rathen würden: wir könnten besorgen, daß Preußen, von gewissen Theorien 
fortgerissen, statt sich in seinen unbestrittenen Grenzen einzuschließen, sich, wie 
man im Haag zu fürchten scheint, verleiten ließe seine Blicke darüber hinaus- 
zurichten. Ich beeile mich hinzuzusügen, daß wir uns bis jetzt von solchen 
Hypotbesen gern fern halten; wir haben niemals aufgehört zu glauben, daß 
die preußische Regierung, die Wichtigkeit dieser Fragen begreifend und unsere 
Bedenken sie unsererseits anzuregen anerkennend, sie in einer für alle Theile 
zufriedenstellenden Weise zu lösen wissen werde, sei es durch eine voraus- 
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