362 Frankreich.
Italiens. Gucroult und Javal (gleichzeitig): Das ist sehr schwer. Der
Staatsminister: „Ja, nach meiner innigsten Ueberzeugung würde Frankreich.
wenn man ihm morzen die zwei Fragen vorlegte, ob es die Vernichtung der
weltlichen Herrschaft des Papstes und die Vernichtung des Königreichs Italien
wolle, beide Male mit einer imposanten Mehrheit: Nein! antworten. (Tiefe
Bewegung.) Man muß also für das Nebeneinanderbestehen der beiden
Mächte wirken und in Italien an die freisinnige und conservative Masse
appelliren, ohne diesem Lande die Degenspitze zu zeigen; man überlasse der
Zeit ihr Werk.“ . Herr Gucroult: Verfügen Sie über die Zeit? Die
Zeit gehört Niemanden. Der Staatsminister: „Wollen Sie damit sagen,
daß die Nevolution in diesem Lande ausbrechen und unser Werk umstürzen könnte?
Gehen Sie! Die Macht des Uebels ist vorübergehend, dauerhaft ist nur die
Macht des Guten. Wir werden also in Zukunst nicht zugeben, daß zwischen
Frankreich, Nom und Ztalien die Gewalt entscheide. Italien würde an dem
Tage, da es in die päpstlichen Staaten eindränge, Frankreich auf dem Wege
nach Rom finden (Lebhafter Beifall). Appelliren wir aber an die Versêh=
nung! Ist das ein Traum? Die Zukunft wird es sagen; für jetzt sind alle
Interessen gewahrt, keines läuft Gefahr, keines wird Schaden erleiden.“ —
Nach diesen Erklärungen wünscht der Staatsminister ein Vertrauensvotum,
in welchem die Kammer ihrem Einverständniß mit der Regierung einen feier-
lichen Ausdruck geben möge. Herr Rouher verläßt die Tribune unter stürmi-
schem Beifall; nachdem er einige Worte mit Herrn Berryer gewechfelt, besteigt
er jedoch die Tribüne noch einmal, um zur Beseitigung jedes Mißverständ-=
nisses folgende Erklärung abzugeben: „Wenn ich von Rom gesprochen habe,
so habe ich von der Hauptstadt des gegenwärtigen Gebiets gesprochen, und ich
begreise in die Vertheidigung der weltlichen Herrschaft des Papstes das gegen-
wärtige Gebiet in seinem ganzen Umfange.“ (Nochmals anhaltender Beifall.)
Jules Favre versucht eine Replik, wird jedoch gezwungen abzubrechen und
zur Abstimmung geschritten, nachdem der Staatsminister erklärt, daß die
Regierung nur in der einfachen Tagesordnung über die Interpellation tes
Herrn Jules Favre den Beweis der Bestätigung ihrer Politik durch die
Kammer erblicken würde.
Nach dem Verlangen der Regierung wird mit 237 gegen 17
Stimmen die einfache Tagesordnung votirt. Mit der Regierüng
stimmen auch Thiers und Berryer, mit der Opposition Gucreult
und Havin (die sog. imperalistische Demokratie).
Das Conferenzproject über die römische Frage ist durch die Er-
klärung Rouhers selbstverständlich unmöglich geworden.
9.—10. Dec. Gesetzgeb. Körper: Debatte über die deutsche Frage.
Rouher erklärt, zu seinen Erklärungen vom 5. d. M. bez. Rems
ermächtigt gewesen zu sein. Rede Thiers' (gegen die großen Aggle-
merationen). Unerhörter Ausfall des Marquis de Kervéguen gegen
die liberale Presse. Mit 231 gegen 23 Stimmen wird auch über
diese Interpellation die Tagesordnung beschlossen.
41. Dec. Denkschrift des Baron Haußmann über die Finanzen der Statt
Paris. Die Etatsüberschreitungen betragen nicht weniger als 530
Millionen.
12. „ Der gesetzgeb. Körper beschließt, zuerst das Armeerefermzesetz
und dann erst das Preß= und das Versammlungsgesetz in Angriff
zu nehmen.