Italien. 369
werden, wogegen den Käufern für die sofortige Zahlung ein Disconto zu-
gestanden wird.
Die französische Presse hebt hervor, daß die italienische Regierung dem-
gemäß geneigt sei, der Kirche schlimmsten Falls noch eine jährliche Entschädigung
von 50 Mill. Franks zu bezahlen, während das französische Cultusbudget
nur 33 Mill. betrage. Mit Berücksichtigung des Unterschieds der Bevölkerungs-
zisfer wäre also das italienische Cultusbudget noch einmal so hoch als das
französische.
In dem Motivenberichte dazu erklärt sich die Regierung auch über
die Frage: Wie verhällt sich die Freiheit der Kirche mit dem Art. 1 der ita-
lienischen Verfassung, welcher die katholische Religion für die Religion des
Staats, die andern Culte nur für geduldet erklärt? „Die katholische Re-
ligion wird in jenem Artikel Staatsreligion genannt, um anzudeuten, daß
sie von der Mehrheit der Italiener bekannt wird. Jedwede andere Inter-
pretation jenes Artikels widerstrebt vor allem der Vernunft, insofern es
nicht der Laiengewalt zusteht, religiöse Bekenntnisse oder Culte vorzu-
schreiben; und falls jene Erklärung in der Absicht geschehen wäre, besondere
bürgerliche oder politische Nechte denen einzuräumen, welche eine specielle Re-
ligion bekennen, so würde sie das Gebot der Gleichheit verletzen, da alle
politischen und bürgerlichen Rechte ohne Unterschied dem Menschen als Bürger
und nicht als Bekenner einer gegebenen Religion angehören; sie würde endlich
von den Thatsachen widerlegt werden, denn durch die Trennung der bürger-
lichen Ehe von der religiösen Ehe, und aus denselben Fundamentalsätzen des
öffentlichen Rechts hat unsere neue Gesetzgebung, ohne das Statut zu miß-
achten, der Versügung des ersten Artikels schon jene einzige Interpretation
gegeben, welche sich mit seinem Geist und mit den der Gewissens= und Ver-
einsfreiheit zugesicherten Garantien verträgt.“
Der sehr umfangreiche Vertrag mit dem Hause Langrand-Du-
monceau enthält 21 Artikel. Der erste derselben lautet: „Wenn das ita-
lienische Parlament den Gesetzesenkwurf über die Liquidation und Conversion
des Kirchengutes durch Vermittlung der Bischöfe genehmigt, und wenn die
Majorität der Bischöfe die Conversion des Kirchengutes unter den durch das
definitive Gesetz festzusetzenden Bedingungen annimmt, so überträgt die Re-
gierung und übernimmt Graf Langrand-Dumonceau die Verpflichtung, die
Summe von 600 Millionen oder jede andere gesetzlich eingehende geringere
Summe als den der Regierung aus der Liquidation des Kirchengutes zu-
kommenden Antheil unter den in dieser Convention festzusetzenden Bedingungen
zu beschaffen.“ Art. 13 lautet: „Wenn in Ermangelung der Gesammtheit
nur die Mehrzahl der Bischöfe ihre Zustimmung ertheilt, so werden die aus
der gegenwärtigen Convention hervorgehenden gegenseitigen Verbindlichkeiten
und Rechte der Regierung, des Unternehmers und der Bischöfe auf den ver-
hältnißmäßigen Theil der Diöcesangüter der zustimmenden Bischöfe zurück-
eführt, und die Regierung wird alsdann direct vorgehen, um sich den ihr
sehlenden und durch das Gesetz ihr zukommenden Theil zu verschaffen.“
Für seine Bemühungen erhält das Haus eine Commissionsgebühr von 10#.
In einem Geschäftscircular des Hauses an seine Actionäre spricht sich das-
selbe über die Operation dahin aus: „Wir benachrichtigen Sie hiemit, daß
wir mit der italienischen Regierung eine große Operation abgeschlossen haben,
nach langen Verhandlungen, welche gleichzeitig in Florenz, Rom und bei den
Bischöfen Italiens eröffnet wurden.“
Die Kammer beschließt auf den Antrag Crispi's (Line), den
Gesetzesentwurf über die Freiheit der Kirche und die Lyuidatior
der Kirchengüter für dringlich zu erklären und zuerst in Behandlung
zu nehmen.
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