Preußen und der norddeutsche Bund. 37
den Entwurf ohne gleichzeitige gesetzliche Erweiterung auch des
Herrenhauses. Das Haus nimmt den Entwurf schließlich mit allen
gegen 5 Stimmen an.
14— 15. Jan. (Preußen). Herrenhaus: Debatte über das Gesetz betr.
Abänderung des Art. 69 der Verfassung und Vermehrung der Mit-
glieder des Abg.-Hauses.
Die Commission trägt mit 8 gegen 4 Stimmen auf Ablehnung an.
v. Kröcher und Gen. beantragen: „Das Herrenhaus wolle beschließen:
a) den Artikel 1 in folgender Fassung anzunehmen: Sobald die preußische
Verfassung in den neuerworbenen Landestheilen Geltung erlangi, wird das
Herrenhaus durch königliche Anordnung in Gemäßheit des Art. 1 des Ge-
setzes vom 7. Mai 1853, sowie der Verordnung vom 19. November 1865
durch Mitglieder aus jenen Landestheilen ergänzt, desgleichen treten zu der
bisherigen Anzahl der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten 80 Abge-
ordnete aus jenen Landestheilen hinzu. b) Den Titel des Gesetzentwurfs wie
folgt zu fassen: Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ergänzung des Herren-
hauses und des Abgeordnetenhauses aus den neuerworbenen Landestheilen.“
Graf Brühl: Ohne die Annahme des Amendements Kröcher könne die
Vertretung einer wichtigen Klasse von Bewohnern der neuen Landestheile,
diejenige des alten und gefestigten Grundbesitzes nicht ermöglicht werden.
v. Kröcher: Das Herrenhaus besteht aus erblichen, aus durch allerh. Ver-
trauen berufenen Mitgliedern, aus Vertretern des alten und gefestigten Grund-
besitzes und aus Vertretern der Städte. Er habe im Interesse letzterer beiden
Kategorien den Antrag gestellt und hoffe, daß durch Aufnahme der hannover“
schen Ritter in das Herrenhaus die Abneigung derselben gegen Preußen be-
seitigt werde. Man wolle nicht von der Gnade des Abg.-Hauses abhängen.
Werde sein Antrag abgelehnt, so gehe man über sich selbst zur Tagesordnung
über und unterzeichne sein eigenes Todesurtheil. v. Waldow-Stein-
hövel: Die Regierung trete immer mit der Pistole in der Hand in das
Herrenhaus: „nun sagt ja“; die Regierung habe aber nicht auf ewig mit
ihren alten Gegnern Frieden geschlossen. v. Kleist-Retzow: Das Herren-
haus könne nicht von seinem Recht und seinem Princip ablassen. Mit dem-
selben Recht könnte nachher ein zweites und ein drittes Gesetz in derselben
Weise vorgelegt und seine Zustimmung gefordert werden. Was die Regierung
in diesem Gesetze ausgesprochen, sei nicht der Weg des Compromisses, sondern
des entschiedenen Entgegentretens. Er sei mit Hrn. v. Kröcher vollkommen
einverstanden, daß mit der Annahme dieses Gesetzes das Todesurtheil des
Hauses vollzogen sei. v. Senfft-Pilsach: Nähme er das Gesetz ohne das
Amendement Kröcher an, so würde er sich für meineidig erklären. Graf
Bismarck habe zu seinem Bedauern seine bisherigen Parteigenossen, die ihm
treulich zur Seite gestanden, plötzlich verlassen und sich selbst den Männern
zugewandt, die Opposition machen. Graf Bismarck: Wenn der Vorredner
nur kurze Zeit an der Spitze der Regierung gestanden hätte, so würde er
sich sagen, daß man in dieser Lage nicht die Möglichkeit hat, Partei-Ansichten
zu solgen. Ein großer Staat regiert sich nicht nach Partei-Ansichten, man
muß die Gesammtheit der Parteien, die im Lande vorhanden sind, in Ab-
wägung bringen und aus dem Resultate dieser sich eine Linie ziehen, der
eine Regierung als solche folgen kann. „Die Herren, welche den Gesetzes-
vorschlag, wie er aus dem anderen Hause gekommen, ablehnen, haben meiner
Ueberzeugung nach zwei Zwecke dabei. Sie wollen erstens die organische
Entwicklung dieses Hauses sicher stellen, und sie wollen zweitens der Re-
gierung einen größeren Spielraum bei Einführung der Verfassung in die
neuen Lande bewilligen, sei es der Zeit nach, sei es dem Inhalte nach.
Sehen wir unter dem Gesichtspunkte beider Fragen, ob sie diesen Zweck