Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Schwelz. 
gesetzt erklärt und die Religion Goltes vom Congresse angenommen.“ Zur 
Vermittlung wird der Berner Reg.-Rath Jolissaint zum Präsidenten gewählt. 
In der zweiten Sitzung beantragt der Vorstand solgende Beschlüsse: 
„In Anbetracht, daß die Regicrungen der großen Staaten in Curopa sich 
unfähig erwiesen haben den Frieden zu erhalten, und die regelmäßige Ent- 
wicklung aller moralischen und materiellen Kräfte der modernen Gesellschaft 
u sichern; in Anbetracht serner, daß das Dasein und das Wachsthum der 
kehenden Heere den Krieg im latenten Justand constituiren, und unverträglich 
sind mit der Freiheit und Wohlfahrt aller Klassen der Gesellschaft, vorzüglich 
aber mit der Arbeiterklasse — beschließt der internationale Congreß, 
in dem Wunsch, den Frieden auf die Demokratie und die Freiheit zu gründen: 
daß eine Friedenllga, ein wahres kosmopolitisches Bündniß (k6dération) ge- 
gründet werde; daß es die Pflicht eines jeden Milgliedes dieser Liga sei, da- 
hin zu arbeiten, die öfsentliche Meinung aufzuklären und zu bilden (kormer) 
über das wahre Wesen der Regierung, der Vollstreckerin des allgemeinen 
Willens; durch seine beständigen Bemühungen die Substitution des Systems 
der Nationalmilizen an Stelle der stehenden Heere vorzubereiten; in allen 
Ländern die Lage der arbeitenden und enterbten (déshéritées) Klassen auf 
die Tagesordnung zu bringen, damit die individuelle und allgemeine Wohl- 
fahrt die pelitische Freiheit der Bürger besestige; er beschließt serner, daß ein 
permanentes Centralcomité, mit dem Sitz in Genf, beaustragt werde: 1) in- 
dividuelle oder collective Zustimmungen zu Fprovociren und zu sammeln, na- 
mentlich Aufrufe ergehen zu lassen an bestehende Gesellschaften oder neue zu 
gründen in den verschiedenen Ländern, damit sie alle ihre Anstrengungen für 
die Verbreitung der vom Friedenscongreß proclamirten Grundsätze vereinigen; 
2) die zukünftigen Versammlungen des GCongresses, sei cs in Genf oder jeder 
andern freien Stadt Europa's, vorzubereiten; 3) die Annalen des Congresses 
zu redigiren und zu veröffentlichen; 4) zu Genf oder zu Basel ein französisch- 
deutsches Blatt unter dem Titel „Die Vereinigkten Staaten von Europa“ (les 
Etats-Unis d'Europe) zu gründen; die Beiträge der Mitglieder, die im 
Minimum auf 10 Cent monatlich oder 1 Fr. 20 Cent. jährlich festgesetzt sind, 
einzukassiren, und davon den dem gemeinsamen Werke nützlichsten Gebrauch 
zu machen, vorbehaltlich der Rechnungsablage bei jeder Congreßsitzung.“ 
Die revolutionäre Stimmung gewinnt in dieser Sivung entschieden die 
Oberhand, so daß Dupasquier (aus Neuenburg) fragt: „Bin ich auf einem 
Friedens= oder Kriegscongreß? Auf zehn Kriegserklärungen höre ich nur 
eine Friedenserklärung.“ An demselben Tage richten die Genfer Katholiken 
einen förmlsichen Protest gegen die Haltung des Congresses an den Genser 
Staatsrath und beschließt eine Volksversammlung auf den Antrag Fazy's, 
den Wunsch auszusprechen, daß „der Congreß in Anbetracht der Ideen- 
verwirrung und seines wenig praktischen Charakters, im Interesse des Frie- 
dens, der Freihcit und der schweiz. Eidgenossenschaft keinen Beschluß fassen 
möge.“ Am 11. bält Garibaldi es für angemessen, plötzlich wieder abzu- 
reisen. Am 12. wurde ziemlich tumultuarisch abgestimmt und wekden die 
Anträge des Comilé mit Mehrheit angenommen. Die anwesenden Schweizer, 
namenltlich die Geuser protestiren. Um den Sturm zu beschwichtigen, über- 
uimmt das bisherige Comilé aus eigener Machtvollkommenheit die Besug-= 
nisse des permanenten Central-Comité, beschließt seinen Sitz in Bern aufzu- 
schlagen und dort sein Organ in deutscher und franz. Sprache unter dem 
Titel „Die Vereinigten Staaten von Europa“ herauszugeben, den nächsten 
Congreß aber nach Mannheim (später nach Bern) auszuschreiben. 
24. Oct. (Obwalden.) Die Landgemeinde genehmigt die ihr vorge- 
schlagene Revision der Verfassung. Von etwa 2500 Anvesenden 
stimmen nur 60 bis 70 für Verwerfung.
	        
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