Preußen und der norddentsche Bund. 45
völlig unparleiisch zu unterrichten. Man hält nur eine; diese eine pflegt nur
die extremsten Reden und Aeußerungen ihrer Partel wiederzugeben. Der-
jenige, der das liest, ist nicht in der Lage seines an und für sich vielleicht
urtheilsfähigeren Vertreters im Parlamente, diese Aeußerungen und Partei-
Auffassungen nach dem Maße der Widerlegung, die sie erfahren, abzuwägen
und sich das Richtige aus dem Widerstreite der verschiedenen Meinungen
herauszuziehen, sondern er hört nur diesen einen Redner, der gerade der
Freund der Zeitung ist, die er liest. Ich führe dies an, um nachzuweisen,
nicht, daß die Staats-Regierung die Discussion derjenigen Fragen, die uns
beschäftigen werden, und die ja das Wohl der ganzen Nation berühren,
in dem weitesten Kreise scheut, sondern daß sie nur gleiche Vertheilung
von Sonne und Wind bei dieser Gelegenheit wünscht. In derjenigen
Urena, die nur dem Zeitungsleser zugänglich ist, und außerhalb der
parlamentarischen Kämpfe ist dies aber bei voller Freiheit unerreichbar,
und da ist die Correctur des Strafgesetzes, meines Erachtens, unentbehr-
lich, weil die Excesse, die Ueberschreitungen diejenige Widerlegung und
Würdigung, die sie im Parlamente finden, im Publikum und gegenüber
dem einzelnen Leser nicht finden. Außerdem ist doch noch sehr fraglich, ob
es überhaupt der öffentlichen Ruhe und Entwicklung der deutschen Verfassung
förderlich ist, wenn dieses Mittel der Aufregung, was die Presse bei dem
Parlamente für einige an der Presse betheiligte Abgeordnete bietet, in einem
ganz unbegränzten und vom Strafrechte durchaus exempten Maße bewilligt
wird. Das Parteiwesen ist bei uns noch nicht durch eine lange constitutionelle
Gewohnheit so weit abgemildert, daß auch nur jedem Wählerkreise das
Vaterland höher steht, als die Partei. Wir haben in dieser Beziehung noch
in den jüngsten Wochen traurige Erfahrungen darüber gemacht, daß die per-
sönliche Leidenschaft, die Partei-Leidenschaft, die Eitelkeit doch schließlich höher
steht, als das Interesse für irgend eine nützliche und nationale Einrichtung.
Hoffen wir, daß nicht gerade die schlimmsten Vertreter nach dieser Richtung
hin gewählt werden; aber möglich ist es doch immerhin, daß Leute, die jeden
staatlichen Zweck negiren nach ihrem ganzen Verhalten und die sich vollkom-
men berechtigt halten, die unbeschränkte Preßfreiheit dictando von der
Tribune her rücksichtslos auszubeuten, — es ist doch möglich, daß solche
Leute gewählt werden. Nehmen Sie den Fall an, daß Leute, die sich vom
Vaterlande vollständig losgesagt haben, ich kann sagen, schamlos losgesagt
haben, Leute, die offenkundig im Solde des Auslandes gegen ihr Vaterland
dienen und schreiben — und es sind hin und wieder derartige Candidaturen
vorgeschlagen — gewählt werden, so fürchte ich, daß von der ehernen Stirn,
die einigen dieser Leute beiwohnt, mit dem Rechte, beliebige Zeitungs-Artikel
straffrei zu dictiren, ein Mißbrauch getrieben werden würde, der auch dem
lebhaftesten Anhänger der hier vorgeschlagenen Preßfreiheit zu viel werden
würde. Wenn der Vorredner als Grund für die Annahme des Gesetz-
entwurfes anführt, daß eine ähnliche Einrichtung in unserer Bundesverfassung
besteht, so ist die Thatsache allerdings richtig. Wenn es sich für unsere
Landesvertretung de lege ferenda handelte, so wäre es vielleicht nicht minder
richtig, dagegen zu kämpfen, als gegen die Erweiterung dieser Bestimmung
auf den norddeutschen Reichstag. Es handelt sich aber dort um ein be-
stehendes Gesetz.“ v. Kleist-Retzow entschuldigt den Antrag der Com-
mission, sie habe die Auffassung der Regierung ja nicht gekannt. Bericht-
erstatter Heffter vertheidigt dagegen dringend den Antrag der Commission.
Bei der Abstimmung wird das Gesetz gegen bloß 10 Stimmen
verworfen; die Minister stimmen mit der Mehrheit.
4. Febr. (Sachsen-Weimar). Abschluß einer Militär-Convention
mit Preußen.
Art. 1 derselben enthält die Bestimmung, daß den Staaten, welche die