Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

474 
Arbersicht der Erelgnisse des Jahrts 1867. 
Preßen, der Nation aber die Anfänge und den ersten Rahmen jenes gemein- 
Nordd. 
Bund. 
samen deutschen Bundesstaats, nach dem sie seit Jahren mit allen 
Fibern ihres Daseins gesucht hatte, ohne ihn finden zu können, so 
lange sie in die alten bundestäglichen Zustände wie in einen Zauber- 
kreis gebannt blieb, aus denen sic in der That nur eine Revolution 
von unten wie s. Z. im Jahre 1848 und wie sie sich langsam 
aber sicher wiederum anzubahnen schien, oder eine solche von oben, 
wie sie dann durch Preußen eintrat, herausführen konnte. An den 
Aufbau eines regelrechten constitutionellen Bundesstaates dachte frei- 
lich Graf Bismarck nach seinem ganzen Wesen und seiner ganzen 
Vergangenheit auch nicht einen Augenblick, während er doch auf der 
andern Seite die berechtigten Forderungen der Nation in der Ge- 
genwart und Zukunft keineswegs verkannte und denselben in seiner 
Weise gerecht zu werden entschlossen war, darin aber den absolutistisch- 
reactionären Ideen Stahls und des preußischen Herrenhauses, seit 
er in die großen Geschäfte eingetreten war, ebenso fern stand, ob- 
gleich er aus dem Herrenhause hervorgegangen war und mit diesem 
den großen Kampf der Conflictszeit durchgekämpft hatte. Es mußte 
eben ein Ausgleich gefunden werden zwischen dem Verlangen der 
Nation nach einer angemessenen Betheiligung an der Leitung ihrer 
Geschicke auf der einen und dem Bedürfnisse einer starken, von 
einem Parlamente nicht abhängigen Regierung auf der andern Seite 
und ebenso mußten die Kleinstaaten und Kleinfürsten sammt und 
sonders unter die nationale Leitung Preußens und seines Königs ge- 
beugt werden, ohne doch dem bisher souveränen und nur allzu son- 
veränen Gefühle der letzteren allzu nahe zu treten. Der ganzen 
Lage der Dinge entsprechend dachte Graf Bismarck zunächst auch 
nicht an eine fertige definitive Verfassung von möglicher Weise 
ewiger Dauer, sondern lediglich an die Schaffung eines festen Ver- 
fassungsrahmens, der die Grundzüge ordnen, im übrigen aber den 
Ergebnissen des nach allen Seiten noch unfertigen und flüssigen 
Lebens freien Raum lassen sollte. Diesem Grundgedanken entsprach 
der Verfassungsentwurf, den er am 15. December 1866 im Namen 
Preußens den Bevollmächtigten der übrigen 21 Bundesstaaten vor- 
legte, der jedoch von denselben erst in den ersten Tagen des 
Jahres 1867 in ernste Behandlung gezogen wurde. Ihre Be- 
rathungen führten schon am 9. Februar zu einer allseitigen Eini-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.