Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Uebersicht der Ereignisse des Jahrrs 1867. 489 
Errungenschaften blieb Frankreich nichts übrig als die schweren Kosten Merico. 
der unseligen Expedition, die auf mindestens 500 Mill. Fr. berechnet 
wurden und in Wahrheit leicht tausend betragen haben mögen. 
Frankreich, sagte man ihm, ist reich genug, eine unglücklich Kan 
ausgefallene, aber großartig concipirte Expedition zu bezahlen und 
die Nation ließ sich das gefallen. Aber es fühlte die Erfahrung 
wie eine brennende Wunde. Der Schlag war unzweifelhaft der 
schwerste, den der Kaiser erlitten. Die öffentliche Meinung legte 
eine gereizte Stimmung an den Tag und warf sich tadelnd bald 
auf die auswärtige, bald auf die innere Politik, welche beide ja die 
Nation seit zwanzig Jahren fast willenlos der Hand des Kai- 
sers anvertraut hatte. Unverkennbar nagte eine tiefe Unzufrieden- 
heit im Gemüthe der Nation. Napoleon selbst erkannte, daß etwas 
geschehen müsse, um die Stimmung zu wenden und die Geister nach 
einer andern Seite hin zu beschäftigen. Am 19. Jan. trat er plötz- 
lich mit einem Briefe an seinen Staatsminister Rouher hervor, durch 
den er ihm eine Reihe von Maßregeln verkündigte, die er selbst ohne 
weiteres als die längst versprochene, längst erwartete „Krönung des 
Gebäudes“ bezeichnete. Demnach sollte die Adreßdebatte, die sich nicht 
bewährt habe, schon wieder abgeschafsft und durch ein übrigens sehr 
vorsichtig reglementirtes Interpellationsrecht ersetzt und, was von un- 
gleich größerer Tragweite war, das Vereins= und Versammlungsrecht 
innerhalb gewisser Schranken gestattet, namentlich aber die bisherige 
Willkür der Verwaltung gegenüber der Presse durch ein Preßgesetz 
ersetzt werden. Am 14. Febr. eröffnete der Kaiser die Kammern mit einer 
Thronrede, in der er sich über diese Concessionen des Näheren ver- 
breitete; erst am 13. März jedoch legte die Regierung dem gesetz- 
gebenden Körper die betreffenden Gesetzentwürfe vor. Die öffent- 
liche Meinung ernüchterte sich sehr, sobald sie von diesen Entwürfen 
nähere Kenntniß erhielt und urtheilte alsbald, daß es vielmehr Ge- 
setzesentwürfe gegen als über die Preßfreiheit und das Vereinsrecht 
seien. Selbst in dieser Form dauerte es noch bis in den Anfang 
des J. 1868 hinein, bevor sie zur schließlichen Berathung kamen 
und vom Kaiser sanctionirt wurden. Der ganze angebliche Um- 
schwung vrom 19. Januar erwies sich als ziemlich bedeutungslos. 
Wäre es wirklich ein Wendepunkt in der Entwickelung des zweiten 
Empire gewesen, so hätte der Kaiser nothwendig zu gleicher Zeit
	        
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