Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Uebersicht der Erelgnisse des Jahres 1367. 491 
bleiben verurtheilt wären, um dem Willen des einen Mächtigen zu Frank- 
Gebote zu stehn. Es war das allerdings der Gang der europäischen ** 
Entwickelung in den letzten Jahrhunderten gewesen und der Redner 
konnte darauf rechnen, tausend sympathische Saiten in seinen Hörern 
wach zu rufen. Und das gelang ihm auch: nicht bloß seine Ge- 
sinnungsgenossen, auch die kaiserliche Majorität hing an seinen Lippen 
und von den entgegengesetztesten Seiten der Versammlung wurde ihm 
Beifall und Unterstützung gespendet. Vom 14. bis zum 18. März 
wurde darüber debattirt und die Debatte gestaltete sich zu einer fort- 
laufenden Anklage gegen Preußen und Deutschland. Emil Ollivier 
war im Grunde der einzige, der auch den Deutschen das Recht zu- 
gestand, sich zu constituiren, wie es ihnen gefalle und die Ueber- 
zeugung aussprach, daß die neue Gestaltung des norddeutschen Bundes 
nicht gegen Frankreich gerichtet sei. Dagegen verlangte Granier 
v. Cassagnac laut die Wiedererwerbung der sog. natürlichen Grenzen 
Frankreichs und meinte selbst Jules Favre, der beredte Advokat de- 
mokratischer Ideen, daß die deutsche Einheit verhindert werden müsse 
und Frankreich zu diesem Ende hin den unterdrückten deutschen Völker- 
schaften und den vertriebenen Fürsten die hülfreiche Hand zu bieten 
berufen sei. Am schärfsten zeichnete Graf Latour von der Majorität 
Frankreich seine Aufgabe vor, indem er eine Allianz desselben mit 
Oesterreich und mit den süddeutschen Staaten verlangte, um Preußen 
am Maine festzuhalten und ihm gebieterisch zuzurufen: Bis hieher 
und nicht weiter. 
Die Entgegnung Deutschlands auf diese Herausforderung, wel-Deutsch- 
cher Rouher nur einen häöchst schwachen Widerstand entgegengesetzt land. 
hatte, ließ nicht lange auf sich warten. Schon am folgenden Tage, 
d. 19. März, wurden gleichzeitig in Berlin und in München die 
schon im August 1866 abgeschlossenen, aber bisher sorgfältig ge- 
heim gehaltenen Schutz= und Trutzbündnisse Preußens mit Bayern, 
Württemberg und Baden veröffentlicht. Preußen hatte den Main 
bereits überschritten! Die süddeutschen Fürsten verpflichteten sich durch 
jene Bündnisse, im Kriegsfall ihre sämmtlichen Streitkräfte dem Ober- 
befchl des Königs von Preußen zu unterstellen, wogegen ihnen dieser 
ihr gegenwärtiges Gebiet ausdrücklich und feierlich garantirte. Und 
bald wurde auch bekannt, daß es nicht Preußen gewesen war, das 
den Abschluß derselben gefordert, sondern die süddeutschen Staaten
	        
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