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Uebersicht der Ertignisse des Jahres 1867.
Luxem- Beamtenwelt französisirt, war das Ländchen in particulärer Engherzig—
burg · eit geradezu verkommen und nur auf seine materiellen Interessen,
nur darauf bedacht, ja keine neuen Lasten übernehmen zu müssen,
für eine nationale Auffassung dagegen wenig zugänglich und fast gleich—
gültig, welcher Nation und welchem Herrn es schließlich zugetheilt werde.
Als daher Frankreich gegen Ende Aprils sich geneigt zeigte, von der
Annexion des Ländchens abzustehen und Preußen eine von den
Mächten garantirte Neutralität desselben die Möglichkeit bot, auf
die Festung zu verzichten, ohne wenigstens seiner Ehre etwas zu ver-
geben, neigte es sich auch seinerseits diesem Auswege zu und noch
vor Ende des Monats waren die Betheiligten und alle Großmächte
einig, die Frage in diesem Sinne in einer Conferenz zu London
zum Austrag zu bringen. Die Conferenz, zu der außer Belgien
und Holland auch Italien beigezogen, Spanien aber, obwohl es seine
Zuziehung gleichfalls verlangte, ausgeschlossen wurde, trat am 7. Mai
zusammen und schon am 11. wurde der Vertrag unterzeichnet. Wenn
die militärische Bedeutung der Festung für Deutschland keine unbe-
dingt wichtige war, was wir dahingestellt lassen müssen und worüber
die Ansichten getheilt scheinen, wenn ferner die Garantie der Neu-
tralität Luxemburgs von Seite der Mächte eine aufrichtige und ernst-
haft übernommene war und wenn endlich die vom König von Holland
übernommene Schleifung der Festung wenigstens in ihren wesent-
lichsten Theilen wirklich ausgeführt wurde, so mochte sich gegen die
Lösung der Frage auch vom Standpunkte der deutschen Interessen
aus in der That wenig stichhaltiges einwenden lassen. Leider war
dieß jedoch bezüglich der beiden letzteren Voraussetzungen nicht der
Fall. Die Festung ist bis heute nicht geschleift, die Schleifung
nicht einmal angefangen worden und dieselbe stände, wenn die Um-
stände es erlaubten, jeden Augenblick so wie sie war den Franzosen
als ein Bollwerk gegen Deutschland zur Verfügung; und was die
Garantie ihrer Neutralität betrifft, so hat England Preußen und
Deutschland noch einmal im Stich gelassen, indem Lord Stanley
am 44. Juni und Graf Derby, der englische Ministerpräsident, am
20. Juni und nochmals am 5. Juli ganz unzweideutig erklärten,
daß die Garantie jener Neutralität, weil eine Collectivgarantie, auch
nicht den allermindesten practischen Werth habe. Nicht in der for-
mellen Lösung jener Frage, wohl aber hierin, daß Preußen gegen