Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Aebersicht der Ertignisse des Jahres 1367. 513 
sein mögen. Die thatsächliche Umwandlung der Monarchie in Eng-englam. 
land seit der sog. glorreichen Revolution von 1688 läßt sich un- 
schwer verfolgen: erst war sie eine nur langsame, kaum merkliche, 
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts trat sie deutlicher hervor und 
war durch die Zeiten der Pitts und Fox und Wellington hindurch 
eine immer raschere und entschiedenere, bis sie ungefähr mit dem 
Regierungsantritte der Königin Victoria als vollendet betrachtet werden 
konnte. Die lange und segensreiche Regierung der Königin bietet 
uns das Bild einer wohlgeordneten Aristokratie, die von der einen 
Seite durch das vorsichtig und weise geübte monarchische Element 
geleitet, von der andern durch die breite Unterlage eines nüchternen, 
verständigen, arbeitsamen Volkes, das von der directen Theilnahme 
am Regiment so ziemlich ausgeschlossen ist, sich dagegen einer un- 
beschränkten Preßfreiheit und eines unbeschränkten Versammlungs- 
rechtes erfreut, controlirt und in Schranken gehalten wird. Der 
ruhige Genuß der erworbenen materiellen und geistigen Güter, dieses 
eigenste Merkmal conservativer Naturen und aristokratischer Bildun- 
gen, bezeichnet die Regierungsperiode der Königin Victoria und be- 
rechtigt sie zu dem Anspruch, auf Jahrhunderte hinaus von den 
Engländern als eine gesegnete gepriesen zu werden. Es wird schwer 
sein, nach ihr zu regieren und die Ungeduld des Prinzen von Wales 
macht einen fast peinlichen Eindruck. Den Einfluß der Monarchie 
wieder zu heben, wird ihm, von aller Persönlichkeit ganz abgesehen, 
jedenfalls nicht gelingen. Der erste Versuch schon dürfte ihn be- 
lehren, daß England keine Monarchie ist im continentalen Sinne 
des Wortes und ihm zeigen, daß er sich mit der Repräsentation zu 
begnügen habe, welche die einen von ihm verlangen, die andern ihm 
nicht streitig machen. 
Die lange Regierungsperiode der Königin Victoria bildet viel- 
leicht den Höhepunkt in der Entwickelung Englands. Sicher ist es, 
daß sie zugleich eine Uebergangsperiode ist, und daß in ihr die An- 
fänge einer neuen Wendung in seiner Entwickelung zu suchen sind. 
Das aristokratische England wird sichtlich nach und nach demokratisch, 
vielleicht ebenso allmälig, vielleicht ebenso ohne gewaltsame Stöße, 
wie es, einst monarchisch, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts all- 
mälig und ohne gewaltsame Stöße zu einer Aristokratie geworden 
ist, von einer Art und einer Großartigkeit, wie uns die Welt kein 
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