Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1867. 
E zur Abstimmung geschritten. Der Antrag der Fortschrittspartei fiel 
mit 77 Stimmen und die Bundesverfassung wurde mit 226 Stim- 
men gegen 91 genehmigt. Die zweite Lesung am 31. Mai ergab 
fast dasselbe Stimmenverhältniß: 227 gegen 93 Stimmen. Das 
Herrenhaus sprach die Genehmigung seinerseits einstimmig aus. Da- 
mit war die Frage entschieden: die beiden sächsischen Kammern waren 
mit ihrer Zustimmung fast einstimmig schon vorangegangen, von 
Seite der Kleinen war eine Ablehnung weder mäöglich noch zu be- 
fürchten und selbst der Landtag von Mecklenburg fügte sich am 
4. Juni der Zwangslage mit 106 gegen 16 Stimmen, obwohl er 
recht gut wußte, daß er damit seiner absonderlichen Existenz und 
den von der öffentlichen Meinung einstimmig verurtheilten Eigen- 
thümlichkeiten dieses Landes unzweifelhast das Todesurtheil aussprach. 
Bis zum 1. Juli ward die Genehmigung allseitig ausgesprochen und 
die neue Bundesverfassung trat mit diesem Tage in Kraft. Der 
König von Preußen übernahm kurz darauf in aller Form für sich 
und seine Nachfolger die ihm übertragenen Befugnisse als Bundes- 
präsident und Bundesfeldherr und ernannte den Grafen Bismarck 
zum Bundeskanzler. Zu seiner Unterstützung wurde ein Bundes- 
kanzleramt geschaffen und das Präsidium desselben dem geh. Rath 
Delbrück übertragen. Am 15. Juli constituirte sich der Bundes- 
rath und bestellte die ihm übertragenen Ausschüsse nach Maßgabe 
der Verfassung und bald darauf wurden bereits die Wahlen zum 
ersten ordentlichen Reichstag ausgeschrieben, der schon zu Anfang 
Septembers zusammentreten sollte. Von allen Seiten waltete der 
Wunsch ob, so schnell wie möglich in ein ordentliches Geleise zu 
kommen: äußere Schwierigkeiten traten diesem Wunsche auch nirgends 
entgegen. 
Deutsch- Norddeutschland war vorläufig unter Dach und Fach gebracht 
land. 
und es fehlte nur noch eines, die schon durch den Prager Frieden 
vorgesehene und durch die norddeutsche Bundesverfassung noch aus- 
drücklicher ins Auge gefaßte „nationale Verbindung“ mit den süd- 
deutschen Staaten. Die Bundesverfassung dachte sich diese natür- 
licher Weise in der Form eines einfachen Eintritts der süddeutschen 
Staaten oder eines einzelnen derselben in den Bund, auf den Vor- 
schlag des Präsidiums und unter Zustimmung des Reichstags. So 
einfach lag die Frage indeß nicht. Da der Prager Frieden, den
	        
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