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Uebersicht der Ercignisse des Jahrts 1867.
Nom. ohne allen seinen politischen Grundsätzen geradezu ins Gesicht zu
schlagen. Zunächst indeß hatte das päpstliche Regiment von den Rö-
mern in der That nicht allzu viel zu besorgen. Die Bewohner der
Provinz, sind, mit Ausnahme einiger Landstädte, namentlich Viterbo's,
in ihrer politischen und materiellen Entwickelung viel zu weit zurück,
um gefährlich zu sein, meist sogar viel zu weit, um auch nur zu ver-
stehen, um was es sich eigentlich handle; gegen die Bevölkerung der
Stadt Rom aber, deren entschiedene Mehrheit allerdings der Priester-
herrschaft abgeneigt ist und nach einem autonomen, weltlichen Regi-
mente verlangt, das den Forderungen der Nenuzeit gerecht würde wie
in der ganzen übrigen Welt, verließ sich der Papst auf seine Armee,
die, etwa 10,000 Mann stark und meist aus geworbenen Auslän=
dern bestehend, dieser Aufgabe mehr als gewachsen schien, wofern nur
den Neuerern von außen d. h. von Italien her keine Unterstützung zu
Theil wurde. Dazu aber hatte sich ja Italien förmlich verpflichtet.
Allein wenn es sich auch dazu verpflichtet hatte, überhaupt dazu, die
Lösung der römischen Frage nicht durch gewaltthätige Mittel zu er-
zielen, so hatte es doch keineswegs darauf verzichtet, dasselbe Ziel
durch „moralische Mittel“ zu erreichen, ja nicht einmal formell und
ausdrücklich, wenn auch allerdings gewissermaßen thatsächlich auf sei-
nen früheren Parlamentsbeschluß, durch welchen Rom zur Haupt-
stadt Italiens erklärt worden war. Worin indeß jene „moralischen
Mittel“ bestehen sollten, blieb zweifelhaft, jeder konnte sich darunter
denken, was er wollte und mochte, ebenso zweifelhaft, als es das
Ziel im Grunde selber war. Im allgemeinen konnte dasselbe als
ein doppeltes bezeichnet werden — die vollständige Beseitigung der
weltlichen Herrschaft des Papstes und die Erledigung der seit einer
Reihe von Jahren zwischen Staat und Kirche ausgebrochenen Streitig-
keiten durch eine vollständige Neuordnung des ganzen Verhältnisses
nach dem von Cavour hinterlassenen Grundsatze einer „ freien Kirche
im freien Staat“, d. h. durch Trennung von Staat und Kirche.
Allein der einen wie der andern Aufgabe standen fast unüberwind-
liche Schwierigkeiten entgegen. Eine völlige Beseitigung auch noch
der letzten Reste der weltlichen Herrschaft des Papstes war doch nur
möglich, wenn die Unabhängigkeit des hl. Stuhls in anderer Weise
hinlänglich gesichert wurde, um den in so fern durchaus berechtigten
Interessen und Forderungen der katholischen Welt zu genügen; die
italienische Regierung war nun dazu allerdings, so weit es von ihr