Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1867.
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abhing, vollkommen bereit, aber sie fand Niemanden, mit dem sie Rom.
darüber hätte in Unterhandlung treten können: der römische Stuhl
selber wollte davon absolut nichts, unter keinen Umständen und keinen
Bedingungen etwas wissen, die katholifchen Regierungen aber hielten
zurück und zeigten keinerlei Neigung, die Frage ihrerseits in die
Hand nehmen, geschweige denn den Papst zu irgend etwas zwingen
zu wollen. Noch größer waren die Schwierigkeiten, welche einer Lö-
sung der zweiten Frage im Wege standen und diese waren nicht bloß
äußere, sondern innere, in der Sache selbst liegende. Die öffentliche
Meinung in JItalien ist für eine Durchführung der Idee Cavours
offenbar noch nicht reif und zwar auf der einen Seite so wenig als
auf der andern. Die Kirche selbst, so weit sie sich auf die Idee
überhaupt einläßt und auch ihrerseits ihre „Freiheit" in Anspruch
nimmt, verstebt darunter nichts anderes als Herrschaft über den Staat
und ist weniger als je geneigt, auf diese Herrschaft zu verzichten, seit sie
durch den Syllabus die ganze moderne Entwickelung des Staats
verdammt hat und fort und fort verdammt. Aber auch dem Staate
verwandelt sich die Freiheit und Unabhängigkeit von der Kirche, die
er anstrebt, nur zu oft unter den Händen in eine Herrschaft über
dieselbe und in Eingriffe in ein Gebiet, das unzweifelhaft der Kirche
und ihr allein zusteht. So kam es, daß diese Frage während des
J. 1867 auch nicht um einen Schritt ihrer Lösung näher rückte,
schließlich aber Garibaldi neuerdings den Versuch wagte, die Frage
der weltlichen Herrschaft gewaltsam zu lösen, ohne jedoch etwas an-
deres zu erreichen, als die Schwäche Italiens an den Tag zu legen
und es von seinem Ziel weiter als je zurückzuschleudern.
D italienische Regierung unter der Leitung des gemäßigten Jtanien.
und besonnenen Ricasoli legte Anfangs die lebhafteste Neigung an den
Tag, sich mit Rom so weit nur möglich zu verständigen. Wie früher den
Commend. Vegezzi, so sandte sie jetzt schon Ende 1866 den Commend.
Tonello in besonderer Mission nach Rom. Allein Rom zeigte sich, unbe-
weglich auf seinem Standpunkte beharrend, wohl geneigt, Concessionen
entgegen zu nehmen nicht aber zu machen. Auf diesen Standpunkt
konnte Italien nicht eingehen und Tonello kehrte Ende März im we-
sentlichen völlig unverrichteter Dinge zurück. Die inzwischen in Florenz
auf die Tagesordnung gestellte Frage der Kirchengüter hatte Rom
aufs neue gegen Italien aufgebracht, obgleich Ricasoli gerade darin