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Uebersicht der Ertignisse des Jahrts 1867.
Frank= Wahlperiode des gesetzg. Körpers ab und den dannzumaligen Wahlen
reich.
wird von der kaiserl. Regierung eine um so größere Wichtigkeit bei-
gelegt, weil während derselben der kaiserl. Prinz seine Großjährigkeit
erreicht, womit sie eine große Gefahr hinter sich zu haben hofft.
Ein Preisgeben der weltlichen Herrschaft des Papstes aber mußte
zunächst, darüber konnte kein Zweifel walten, die Bischöfe bis zur
Raserei erbittern und mitten in einem solchen Kampfe die Wahlen
zu wagen, schien nicht bloß im äußersten Maße gefährlich, sondern
geradezu widersinnig. Dazu kam noch eine weitere Erwägung. Seit
dem Emporkommen Napoleons war es einer der hauptsächlichsten Ziel-
punkte seiner Politik gewesen, nicht bloß Frankreich zur dominiren-
den Macht in Europa zu machen, sondern dieser Stellung zugleich
auch eine feste Unterlage dadurch zu geben, daß er die gesammte
romanische Welt in eine specielle Abhängigkeit von Frankreich bringe
und in diesem Plan spielt das Papstthum eine ganz besondere
Rolle und muß sie nun um so entschiedener behaupten, seit in
Deutschland das protestantische Preußen definitiv das Uebergewicht
über das katholische Oesterreich erlangt hat. Mit diesem Ziel-
punkte vertrug sich die Beseitigung der weltlichen Herrschaft sehr
wohl, ja sie möchte sogar als ein integrirender Theil dazu gehören,
aber um so vorsichtiger wollte die Frage angefaßt und behandelt
werden. Alles deutet darauf hin, daß die Beseitigung der weltlichen
Macht des Papstes für den Kaiser seit einer Reihe von Jahren fest-
stand, aber auch, daß sie nur allmälig vorbereitet werden dürfe, bis
die öffentliche Meinung Frankreichs und der kath. Welt überhaupt dafür
reif sei und die Frucht ihm gewissermaßen von selbst in den Schooß
falle. Der Kaiser hat daher in Wahrheit seit Jahren fast ebense
viel für die Untergrabung wie für die Erhaltung jener Macht ge-
than. Im Sommer 1867 erschien die Frage dem Kaiser entschieden
für eine Lösung noch nicht reif zu sein und der Moment dazu für
ihn durchaus nicht geeignet. Der Entschluß war daher bald gefaßt,
die weltliche Herrschaft des Papstes vorerst noch um jeden Preis
aufrecht zu erhalten, zumal von einem Sturze durch Garidaldi selbst-
verständlich gar keine Rede sein konnte. Die ital. Regierung wurde
daher fortwährend und dringend zum Einschreiten aufgefordert und
schon im September waren Truppen und Schiffe in Toulon für
alle Fälle bereit und blieben es, auch als Rattazzi damals noch sich