Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

k#ebersicht der Ereignisse des Jahres 1867. 555 
ihren früheren Beschluß „Rom Hauptstadt“ aufrecht erhielten und Jtalien. 
erneuerten. Die öffentliche Meinung Italiens ist Frankreich durch 
alles was vorgegangen wesentlich entfremdet worden und die Zahl 
derer hat entschieden zugenommen, welche den übermächtigen Einfluß 
Frankreichs mit steigender Ungeduld ertragen. 
Auch in Frankreich fand die neue Intervention zum Schutze Frank- 
der weltlichen Herrschaft des Papstes nicht allseitigen Beifall. Kaum reich. 
waren die Kammern zusammen getreten, so wurde die Regierung 
von der Opposition auf's heftigste deßhalb angegriffen. Die erge- 
bene Majorität, die Italien ohnehin nicht wohl will und im Grunde 
ihres Herzens diese Schöpfung des Kaisers mit Herrn Thiers für einen 
entschiedenen Mißgriff hält, trat jedoch auf die Seite der Regierung 
und trieb sie immer weiter und weiter, bis der Staatsminister Rouher 
endlich unter ihrem stürmischen Beifall die bestimmte Erklärung ab- 
gab: „Italien wird sich Roms nicht bemächtigen. Nein, Niemals! 
Niemals wird Frankreich diese Gewaltthat gegen seine Ehre und 
gegen den Katholicismus ertragen. Es verlangt die energische Aus- 
führung des Septembervertrags und wenn dieser Vertrag in der Zu- 
kunft nicht seine wirksame Anwendung findet, so wird sich Frankreich 
selbst an seine Stelle setzen. Ist das klar?7" Und da es dennoch 
noch nicht ganz klar und genügend erschien, bestieg Rouher nochmals 
die Rednerbühne, um zu erklären, daß er unter Rom „das ganze 
Gebiet der weltlichen Herrschaft in seinem gegenwärtigen Umfange 
verstanden habe."“ Damit schien Italien alle Hoffnung auf Rom 
ganz und gar abgeschnitten zu sein. Merkwürdiger Weise wollte es 
der Zufall, daß Menabrea, der italienische Ministerpräsident an dem- 
selben Tage, an dem Rouher diese Erklärung abgab, in der italie- 
nischen Deputirtenkammer seinerseits erklärte, daß „Nom für Italien 
ebenso unentbehrlich sei, wie Paris für Frankreich!" 
Rom glaubte einen großen Sieg erfochten zu haben und in #om. 
einem gewissen Sinne hatte es auch einen solchen erfochten. Aber 
zu derselben Zeit erlitt es eine Niederlage, die jenen Sieg mehr 
als aufwog. Rom weiß wohl, daß es an Frankreich jedenfalls nur 
einen zweifelhaften und zweideutigen Beschützer hat, aber indem es 
Oesterreich verlor, verlor es, da Spanien nicht ins Gewicht fällt, 
die letzte, bisher allein zuverlässige Stütze der mittelalterlichen An- 
schauung von dem Verhältniß zwischen Staat und Kirche. Während
	        
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