Preußen und der norddeutsche Bund. 77
kerung und die Theilnahme an ihren eigenen Geschicken zu verkennen, zu
unterdrücken, abzuschaffen, ein wildes Reactionswesen walten zu lassen, sich
im Kampfe mit der eigenen Bevölkerung auszuhalten? Meine Herren! das
können Sie von der Dynastie, die über Preußen regiert, das können Sie von
leiner Dynastie, die augenblicklich in Deutschland regiert, erwarten, daß sie
an ein natlonales Werk mit der Heuchelei — ich kann es nicht anders nennen
— herangehe. Wir wollen den Grad von Freiheiten, von freiheitlicher Ent-
wicklung, der nur irgendwie mit der Sicherheit des Ganzen verträglich ist.
Es kann sich nur darum handeln, die Grenze zu finden, was mit dieser
Sicherheit auf die Dauer, was jetzt damit verträglich sei. Es kann nicht in
unserer Absicht liegen, das Militär-Budget auch nach dem Zeitraume, wo es
von Ihnen selbst als eisernes behandelt werden sollte, was unseres Erachtens
für eine Zeit des Uebergangsstadiums unentbehrlich ist, Ihrer Kenntniß zu
entziehen. Es ist hier gesprochen worden, als wenn das von uns mit einer
gewissen Heimlichkeit geschehen sollte. Wenn ich mir überhaupt diesen Ge-
danken schon klar gedacht, so schwebte er mir in der Art vor, daß wir das
Budget nichts desto weniger vorlegen würden. Ich will gern zugeben, daß
es unwahrscheinlich ist, daß sich in diesem Reichstage eine Majorität finden
würde, die dasjenige nicht bewillige, was unserer Meinung nach zur Ver-
tbeidigung des Landes unentbehrlich ist; ich fürchte in dieser Beziehung am
allerwenigsten von der particularistischen Seite. Ich fürchte viel mehr von
der Vermischung der Grenze zwischen parlamentarischer und fürstlicher Gewalt
mit der nationalen Frage, und daß man das Bedürfuiß hat, den parlamen-
tarischen Einfluß vorzugsweise an der Armee zu üben, während doch andere
Felder, ihn zu üben, genug übrig bleiben. Es ist doch, meiner Ansicht nach,
gewiß ein Mittel, sich den Einfluß auf die Regierung zu sichern, wenn Sie
beispielsweise die Zollverträge und das Eisenbahnwesen in die Richtung Ihrer
Gesetzgebung ziehen. — Was dann noch die wichtige Machtfrage betrisst, so
halte ich die Vereinigung von Norddeutschland und Süddeutschland allen
Fragen gegenüber, wo es sich um den Angriff des norddeutschen Bundes
handelt, in allen Punkten gesichert. Sie ist gesichert durch das Bedürfniß
des Südens und durch die Pflicht des Nordene, ihm beizustehen. Ich weiß
nicht, meine Herren, ob ich während der allgemeinen Discussion noch einmal
Gelegenheit haben werde, das Wort zu nehmen, oder einer meiner Herren
Collegen; für den Augenblick füge ich dem, was ich gesagt, nur die noch-
malige Aufforderung hinzu: arbeiten wir rasch, setzen wir Deutsch-
land, so zu sagen, in den Sattel, reiten wird es schon können.“
Rede Bismarcks (gegen Münchhausen wegen Hannover)
steht augenblicklich unter dem Regiment des Absolutismus, und dieses
Regiment wird sein Ende finden am 1. October d. J.; dann wird es sich
aller der verfassungsmäßigen Garantien erfreuen, welche die übrigen Provinzen
des preußischen Staates bereits in diesem Augenblick schützen. Bis dahin
aber wird sich der Herr Vorredner damit bescheiden müssen, daß die Provinz
nach den persönlichen Ueberzeugungen Sr. Maj. des Königs über die Maß-
regeln, die zur Sicherstellung der preußischen Herrschaft in dem Lande noth-
wendig sind, regiert wird. Wir-werden den Widerstand nicht tragen,
wir werden ihn brechen. Daß die Sache so gekommen ist, kann Nie-
mans mehr wie ich bedauern. Ich habe schon vorhin angedeutet, daß Jahr-
hunderte lange Erinnerungen und Traditionen die hannover'sche Armee mit
der preußischen verknüpften, die hannover'sche Politik mit der preußischen.
Es war die Gruppirung des siebenjährigen Krieges eine vollkommen natür-
liche, die in unser aller Erinnerung lebt. Seit einigen Jahren hat sich
Hannover von dieser natürlichen Verbindung losgerissen; ich habe seine
Minister — der Graf Platen wird mir dies bezeugen — mit den Worten
gewarnt: wenn Sie Preußens Ehrgeiz fürchten, können Sie ihn nicht wirk-
samer entwaffnen als dadurch, daß Sie seine treuen Bundesgenossen sind.