Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

             Preußen und der norddeutsche Bund.          77 
kerung und die Theilnahme an ihren eigenen Geschicken zu verkennen, zu 
unterdrücken, abzuschaffen, ein wildes Reactionswesen walten zu lassen, sich 
im Kampfe mit der eigenen Bevölkerung auszuhalten? Meine Herren! das 
können Sie von der Dynastie, die über Preußen regiert, das können Sie von 
leiner Dynastie, die augenblicklich in Deutschland regiert, erwarten, daß sie 
an ein natlonales Werk mit der Heuchelei — ich kann es nicht anders nennen 
— herangehe. Wir wollen den Grad von Freiheiten, von freiheitlicher Ent- 
wicklung, der nur irgendwie mit der Sicherheit des Ganzen verträglich ist. 
Es kann sich nur darum handeln, die Grenze zu finden, was mit dieser 
Sicherheit auf die Dauer, was jetzt damit verträglich sei. Es kann nicht in 
unserer Absicht liegen, das Militär-Budget auch nach dem Zeitraume, wo es 
von Ihnen selbst als eisernes behandelt werden sollte, was unseres Erachtens 
für eine Zeit des Uebergangsstadiums unentbehrlich ist, Ihrer Kenntniß zu 
entziehen. Es ist hier gesprochen worden, als wenn das von uns mit einer 
gewissen Heimlichkeit geschehen sollte. Wenn ich mir überhaupt diesen Ge- 
danken schon klar gedacht, so schwebte er mir in der Art vor, daß wir das 
Budget nichts desto weniger vorlegen würden. Ich will gern zugeben, daß 
es unwahrscheinlich ist, daß sich in diesem Reichstage eine Majorität finden 
würde, die dasjenige nicht bewillige, was unserer Meinung nach zur Ver- 
tbeidigung des Landes unentbehrlich ist; ich fürchte in dieser Beziehung am 
allerwenigsten von der particularistischen Seite. Ich fürchte viel mehr von 
der Vermischung der Grenze zwischen parlamentarischer und fürstlicher Gewalt 
mit der nationalen Frage, und daß man das Bedürfuiß hat, den parlamen- 
tarischen Einfluß vorzugsweise an der Armee zu üben, während doch andere 
Felder, ihn zu üben, genug übrig bleiben. Es ist doch, meiner Ansicht nach, 
gewiß ein Mittel, sich den Einfluß auf die Regierung zu sichern, wenn Sie 
beispielsweise die Zollverträge und das Eisenbahnwesen in die Richtung Ihrer 
Gesetzgebung ziehen. — Was dann noch die wichtige Machtfrage betrisst, so 
halte ich die Vereinigung von Norddeutschland und Süddeutschland allen 
Fragen gegenüber, wo es sich um den Angriff des norddeutschen Bundes 
handelt, in allen Punkten gesichert. Sie ist gesichert durch das Bedürfniß 
des Südens und durch die Pflicht des Nordene, ihm beizustehen. Ich weiß 
nicht, meine Herren, ob ich während der allgemeinen Discussion noch einmal 
Gelegenheit haben werde, das Wort zu nehmen, oder einer meiner Herren 
Collegen; für den Augenblick füge ich dem, was ich gesagt, nur die noch- 
malige Aufforderung hinzu: arbeiten wir rasch, setzen wir Deutsch- 
land, so zu sagen, in den Sattel, reiten wird es schon können.“ 
Rede Bismarcks (gegen Münchhausen wegen Hannover)  
 steht augenblicklich unter dem Regiment des Absolutismus, und dieses 
Regiment wird sein Ende finden am 1. October d. J.; dann wird es sich 
aller der verfassungsmäßigen Garantien erfreuen, welche die übrigen Provinzen 
des preußischen Staates bereits in diesem Augenblick schützen. Bis dahin 
aber wird sich der Herr Vorredner damit bescheiden müssen, daß die Provinz 
nach den persönlichen Ueberzeugungen Sr. Maj. des Königs über die Maß- 
regeln, die zur Sicherstellung der preußischen Herrschaft in dem Lande noth- 
wendig sind, regiert wird. Wir-werden den Widerstand nicht tragen, 
wir werden ihn brechen. Daß die Sache so gekommen ist, kann Nie- 
mans mehr wie ich bedauern. Ich habe schon vorhin angedeutet, daß Jahr- 
hunderte lange Erinnerungen und Traditionen die hannover'sche Armee mit 
der preußischen verknüpften, die hannover'sche Politik mit der preußischen. 
Es war die Gruppirung des siebenjährigen Krieges eine vollkommen natür- 
liche, die in unser aller Erinnerung lebt. Seit einigen Jahren hat sich 
Hannover von dieser natürlichen Verbindung losgerissen; ich habe seine 
Minister — der Graf Platen wird mir dies bezeugen — mit den Worten 
gewarnt: wenn Sie Preußens Ehrgeiz fürchten, können Sie ihn nicht wirk- 
samer entwaffnen als dadurch, daß Sie seine treuen Bundesgenossen sind.
	        
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