84 Preußen und der norddeutsche Bund.
fügen haben bei meinen Instructionen an den Bundeskanzler, oder ich würde
nach anderen Collegen suchen müssen, welche die Verantwortlichkeit für das
Verhalten des. Bundeskanzlers mit übernehmen. Daß in wichtigen Angele-
genheiten, z. B. bei neuen Gesetzen, die preußische Stimme im. Bundesrathe
abgegeben würde, ohne die übrigen in Preußen rerantwortlichen Ressortchefs
zu fragen, ist nicht denkbar; ja, die letzteren würden, wenn nicht direct, doch
jedenfalls durch ihre Untergebenen, wie ich das gestern schon angedeutek, durch
höhere Beamte ihres Ressorts im Bundesrathe vertreten sein und würden auf
die Formulirung des preußischen Vekums durch diese ihre Organe ihren
Einfluß üben können. Nur könnte ich mir als auswärtiger Minister nicht
gefallen lassen, daß nun diese mit dem Bundeskanzler zusammensitzenden
Vertreter der übrigen Ressortchefs oder — auf diesen Unterschied kommt es
mir nicht an — außerhalb des Bundesrathes sich befindenden Vertreter der
Ressortchefs auch mit dem Rechte einer verantwortlichen Contrasignatur aus-
gestattet würden und dem Bundeskanzler sagen könnten: diesem Votum
stimmen wir nicht bei, denn es ist mit unserer persönlichen Verantwortlichkeit
nicht verträglich. Die Austragung dieses Streites über solche Fragen muß
innerhalb des preußischen Ministeriums, wie es jetzt da ist, und muß außer-
halb der Enceinte des Bundesrathes Statt finden. Daß daraus folge, daß
in Preußen oder in jedem anderen Bundesstaate die gesetzliche Gültigkeit der
Bundesgesetze noch einer besonderen Zustimmung bedürfe, das kann ich nicht
zugeben, sie würden nach der Art, wie sie im Bundesrathe zu Stande kommen,
getragen sein von der Verantwortung, die das preußische Ministerium dem
preußischen Lande gegenüber hat, denn es ist, wie gesagt, undenkbar, daß das
Verhalten des Bundeskanzlers dauernd und in wichtigen Fragen des Einrer-
ständnisses des preußischen Ministeriums „entbehren könnte. Dieses wäre nur
denkbar in dem Falle, daß Preußen in der Minorität geblieben wäre, daß
Preußen, in dieser Minorität des Bundesrathes sich befindend, auch vor dem
Reichstage seine Ansicht vergebens vertheidigt hätte und auch im Reichstage
in der Minorität geblieben wäre; dann tritt allerdings möglicher Weise ein
Bundesgesetz in Kraft, für welches das preußische Ministerium nicht geneizt
gewesen ist, die Berantwortung zu übernehmen, gegen welches es deßhalb
votirt hat; es würde aber dann von dieser Verantwortung gewisser Maßen
losgesprochen sein durch diese preußischen Reichstags-Abgeordneken, die ihrer-
seits die Majorität für das Gesetz hergestellt hätten, trotz des Widerspruches
der preußischen Regierung; jedenfalls aber bliebe dann dem preußischen Mi-
nisterium übrig, wenn es sich nicht fügen will, durch das Präsidium eine
Auflösung des Reichstages zu extrahiren. Ich glaube, das ist ein ganz
regelmäßiges Spiel constitutioneller Einrichtungen, und die Verantwortlichkeit
für irgend etwas, was innerhalb des Bundes zu geschehen hat, wird gegen
das, was jetzt davon vorhanden ist, in keiner Weise vermindert. Daselbe
Raisonnement läßt sich auf die Ministerien der übrigen Bundesstaaten an-
wenden, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht dieselbe erhebliche Stimmen-
zahl, dieselbe Majorität von engeren Landsleuten in dem Reichstage haken,
die ihnen die Chancen gibt, gerade ihre Meinung durchzubringen. Darurch
aber haben die verbündeten Regierungen meines Erachtens schon diejenigen
Opfer gebracht, welche man rechtmäßiger Weise von ihnen sordern darf, weil
ein größeres für den zu erreichenden Zweck nicht nothwendig ist. Ich glaube,
ich habe das Bedenken schon widerlegt, daß keine Verwaltung des Bundes-
Präsidiums Statt finden würde. Meine Bedenken liegen nicht in der Rich-
tung, sie richten sich dagegen, daß ich es nicht — doch ist das eins der
untergeordneten Bedenken — acceptiren kann, die Zahl derjenigen Collegen
— denn solche würden es für mich werden —, mit denen ich die Verant-
wortung zu theilen hätte, zu vermehren und dadurch die Arbeit zu vermehren,
die in der That nicht klein ist, wenn es sich handelt, zwischen acht Ministern,
die ehrlich an ihrer Ueberzeugung hangen, eine Uebereinstimmung herzustellen.