Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

                 Preußen und der norddeutsche Bund.       67 
und zu Kunz mit 4 Thlr. 6 Sgr. kommt! So reißt die Reihe ab und die 
Anderen werden mit dem Proletariat zusammengeworfen. Wenn der Erfinder 
dieses Wahlgesetzes sich die praktische Gestaltung vergegenwärtigt hätte, hätte 
er es nicht gemacht. Eine Willkürlichkeit und zugleich eine Härte liegt in 
jedem Census, eine Härte, die da am furchtbarsten wird, wo dieser Census 
abreißt, die ausschließend anfängt, und wir können es dem Auzgeschlossenen 
gegenüber doch wirklich schwer motiviren, daß er deßhalb, weil er nicht 
dieselbe Steuerquote wie sein Nachbar bezahlt — er würde sie gern zahlen, 
sie bedingt aber ein größeres Vermögen, und das hat er nicht —, nun 
plötzlich politisch todt in diesem Staatswesen sein soll. Diese Argumentation 
findet aber überall an der Stelle Anwendung, wo eben die Reihe derer, die 
politisch berechtigt bleiben sollen, abgebrochen wird. Auf ständische Wahl- 
rechte zurückzugreifen, hat noch Niemand vorgeschlagen, und möchte ich dabei 
nur die Richtigkeit der vorher hier ausgesprochenen Meinung bestätigen, daß 
im Ganzen jedes Wahlgesetz unter denselben äußeren Einflüssen und Um- 
ständen ziemlich gleiche Resultate gibt. Ich glaube, wenn wir heute auf der 
Basis des vereinigten Landtages mit zehnjährigem Grundbesitz wählten, 
würden wir ungefähr dieselbe Vertretung hier haben. Der Gesammtbestand 
der Vertretung in Deutschland hat in meiner parlamentarischen Laufbahn seit 
1847 sehr wesentlich nicht gewechselt. Ich habe mir die alten zum Theil 
lieben, zum Theil kampfbereiten Gesichter gegenüberstehen. (Große Heiterkeit.) 
Ich gestehe also offen: weiß mir Jemand überzeugend darzuthun, daß ein 
anderes Wahlgesetz besser ist, freier von Mängeln als das vorliegende und 
im Besitze besonderer Vorzüge, die dieses nicht hat, so ist die Frage discutabel; 
aber wenn wir uns in diese Discussion vertiesen würden, würde man die 
ganzen Bibliotheken, die über diese Frage im Laufe der letzten 30 Jahre geschrieben 
worden sind, hier durchdiscutiren und uns doch schwerlich einigen. Ein Vor- 
wurf ist dem Wahlgesetz aus dem Grunde gemacht, weil dasselbe directe 
Wahlen und nicht indirecte haben will. Meiner Ueberzeugung nach bilden 
aber die indirecten Wahlen an sich eine Fälschung der Wahlen und dadurch 
der Meinung der Nation. Es läßt sich das schon aus einem einfachen Rechen- 
cxempel, welches ich schon vor 20 Jahren einmal aufgestellt und seitdem öfter 
aufgestellt gefunden habe und welches ich hier wiederhole, darlegen: wenn 
man annimmt, daß die Majorität in jeder Stufe der Wahlen nur Eins über 
die Hälfte zu sein braucht, so repräsentirt der Wahlmann schon nur einen 
Urwähler mehr als die Hälfte; der Abgeordnete repräsentirt nur einen Mann 
über die Hälfte der Wahlmänner, deren Gesammtheit schon etwas über die 
Hälfte der Urwähler repräsentirt. Der Abgeordnete, wenn nicht sehr große 
Majoritäten thätig gewesen sind — ich nehme den schlimmsten Fall an mit 
sehr kleiner Majorität — repräsentirt dann mit mathematischer Sicherheit 
bei den indirecten Wahlen nur etwas über ein Viertel der Wähler und die 
Majorität der Abgeordneten darum mit Nothwendigkeit wiederum nur etwas 
über ein Achtel des Ganzen. Von diesen Halbirungsstufen scheiden wir die 
eine gänzlich aus und dann habe ich stets im Gesammtgefühl des Volkes 
noch mehr Intelligenz als in dem Nachdenken des Wahlmannes bei dem 
Aussuchen des zu Erwählenden gesunden und ich appellire an die ziemlich 
allgemeine Erscheinung — ich weiß nicht, ob die Herren meine Wahrnehmung 
alle theilen — aber ich habe den Eindruck, daß wir bei dem directen Wahl- 
rechte bedeutendere Capacitäten in das Haus bringen werden, als bei dem 
indirecten Wahkrechte. Um gewählt zu werden bei dem directen Wahlrechte, 
muß man bekanntlich ein bedeutenderes Gewicht haben, weil die Rolle der 
Gevatterschaft u. s. w. bei dem Wählen nicht so zu dem Ausdruck kommt, 
wie in diesen ausgedehnten Kreisen, und ich hoffe, das hohe Haus wird für 
diese indirecte Schmeichelei, die ich hiermit ausspreche, empfänglich sein. (Große 
Heiterkeit.) Was nun den Antrag auf Errichtung eines Oberhauses 
betrifft, so kann derselbe an und für sich im Princip ja nur jedem Conser-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.