Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zehnter Jahrgang. 1869. (10)

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England. 
die einer thatsächlichen Auflehnung gleichkommen. Die Regierung 
nimmt von dem Vorgang keine Notiz. 
14. Jan. Cardinal Cullen und mehrere irländische katholische Bischöfe 
16. 
27. 
erklären die Aufhebung der irischen protestantischen Staatskirche für 
unerläßlich und alle allfälligen Compromißversuche für verwerflich. 
„ Der neue Minister des Auswärtigen, Lord Clarendon, schließt 
mit dem Gesandten der nordamerikanischen Union, Reverdy Johnson, 
einen neuen Vertrag (s. 23. Nov. 1868) bez. Beseitigung der Ala- 
bamafrage ab, der der Union noch mehr entgegenkommt: 
Das in sieben Artikeln abgefaßte Document bestimmt im Wesentlichen 
die Ernennung von zwei Commissären von beiden Seiten zur Schlichtung der 
streitigen Ansprüche. Vei Meinungsverschiedenheit entscheidet ein von der 
Commission gewählter Unparteiischer. Kann man sich über dessen Wahl nicht 
einigen, so wird für jeden einzelnen Fall ein Unparteiischer durchs Loos ge- 
wählt. Gegen die Entscheidung desselben gilt kein Appell. Die sämmtlichen 
Ansprüche müssen in zwei Jahren erwogen und erledigt sein, und die etwa 
angewiesenen Geldsummen sind binnen 18 Monaten, vom Datum der Ent- 
scheidung an, ohne Interessen zu zahlen. 
„ (Ostindien). Schir Ali, der neue Beherrscher von Afghani- 
stan, hält seinen Triumpheinzug in Kabul. 
„ Bankett in Glocester. Die Liberalen feiern dabei eine Art 
Siegesfest über das Resultat der letzten Parlamentswahlen. Mr. 
Lowe, der neue Schatzkanzler, entwickelt das Programm der Re- 
gierung: 
Als ersten Punkt desselben bezeichnet er volle Gerechtigkeit für Irland, 
Gleichstellung aller Confessionen durch Abschaffung der irischen Staatskirche 
und Einziehung ihrer Güter, sowie durch vollständige Befreiung der anglika- 
nischen Gemeinschaft, die über ihre Zukunft dann selbst zu entscheiden habe. 
Der zweite Punkt sei die Aufrechthaltung des Friedens. Lowe glaubt ver- 
sichern zu dürfen, daß niemals ein Ministerium in England regiert habe, das 
von einem ernsteren Verlangen nach Erhaltung desselben beseelt gewesen, ein 
Ministerium, das nicht nur den Wunsch hege, den Frieden zu erhalten, son- 
dern auch den Willen habe, die einzige Politik, welche zu diesem Ziele führen 
kann, beharrlich zu verfolgen. Die Aeußerungen bezüglich der Erhaltung des 
Friedens führen ihn zur Erklärung über beabsichtigte Reductionen in Heer 
und Flotte. Als leitendes Princip bei den vorzunehmenden Veränderungen 
bezeichnet er die Erreichung der größten Tüchtigkeit für möglichst geringe 
Kosten durch Ablösung des Ueberflüssigen und Concentrirung des Uebrigen 
dort, wo man es gebrauche. So werde man die Armee mehr in England 
zusammenziehen als bisher und für die Flotte weniger Werfste unterhalten 
und die damit zersplitterten Ausgaben vermindern und besser verwerthen. Im 
Uebrigen werde man das Minsterium und seine Pläne erst nach einiger Zeit 
und zwar nach seinen Früchten beurtheilen können. 
„ Lord Russel richtet einen dritten Brief über die irische Kirchen- 
frage an Hrn. Chich. Fortescue. 
Die drei Briefe bezeichnen den Fortschritt der öffentlichen Meinung in die- 
ser Frage. In seinem ersten Brief verlangte er: daß das irische Kirchenver- 
mögen zwischen den bestehenden größeren Religionsgemeinschaften, den Katholiken, 
Anglikanern und Presbyterianern, je nach der Kopfzahl gleichmäßig vertheilt 
und so gewissermaßen drei Staatskirchmm in Irland gegründet würden. Der zweite
	        
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