Trankreich. 353
im Schooße dieser hohen Versammlung vorherrschen werden, denn wir dürfen
nicht minder auf die Weisheit des Heiligen Stuhles, als auf die Erleuchtung
und den Patriotismus der Bischöfe rechnen. Dabei ist es nicht unsere Ab-
sicht, uns als ganz uninteressirt an dem Werke anzusehen, zu welchem der
Heilige Vater die Prälaten der katholischen Kirche einberuft. Die Bedeutung
einer solchen Versammlung inmitten der Krise, welche die modernen Gesell-
schaften durchschreiten, kann nicht in Zweifel gezogen werden und nichts, was
die Geschicke der katholischen Welt angeht, kann uns unaufmerksam oder gleich-
giltig finden. Die kaiserliche Regierung verzichtet also nicht darauf, von ihrem
Einflusse Gebrauch zu machen. Sie wird ihn anwenden, um nach allen Seiten
die Ideen der Versöhnung zu empfehlen, deren Triumph nur zur Befestigung
der socialen Ordnung und zur Beschwichtigung der Gewissen beitragen könnte.
Aber diesen mäßigenden Einfluß gedenken wir durch das Organ unserer ordent-
lichen Vertreter zu üben, ohne an das Concil einen besonderen Bevollmächtigten
abzuordnen, dessen Gegenwart die Handlungsfreiheit beeinträchtigen würde,
welche wir im Gegentheil uns vollkommen vorzubehalten wünschen.
„Diese Verhaltungslinie stimmt mit dem überein, was wir von den Ab-
sichten der katholischen Regierungen im Allgemeinen wissen, und der Papst
Pius IX. scheint selbst auf die Enthaltung der Souveräne vorbereitet zu sein,
weil er es nicht für angemessen gehalten hat, an ihre directe Mitwirkung zu
appelliren, und an sie nicht, wie in früheren Zeiten, die Einladung gerichtet
hat, sich vertreten zu lassen. Wenn die kaiserliche Regierung sich also ent-
schließt, keinen Botschafter beim Concil zu haben, so gehorcht sie nicht bloß
dem Geiste unserer Gesetze; die Zurückhaltung, welche sie für vorsichtig hält,
zu beobachten, ist auch im Einklang mit jener, in die sich der Papst selbst
verschließt, und indem wir in diesem Betracht die Politik verfolgen, welche
uns für den Schutz unserer Rechte die geeignetste scheint, dürfen wir auch hoffen,
daß der römische Hof den Erwägungen, die unseren Entschluß eingegeben haben,
volle Gerechtigkeit werde widerfahren lassen. Sie sind ermächtigt, diese De-
pesche dem Herrn Minister des Aeußern der Regierung, bei welcher Sie be-
glaubigt sind, vorzulesen, ohne ihm jedoch Abschrift davon zu überlassen."
Die franz. Regierung theilt die Depesche sämmtlichen Mächten
mit, die sich mit dem Schritte vollkommen einverstanden erklären.
8.—41. Sept. Congreß der Provinzialpresse in den Bureaux der „De-
centralisation“ zu Lyon. Derselbe beschließt die Aufstellung folgen-
der Forderungen:
Abschaffung des Art. 75 der Verfassung vom Jahr VlIII definitive Auf-
hebung des Sicherheitsgesetzes; vollkommene Associations= und Unterrichts-
Freiheit; das Wahlprincip auf die Ernennung der Maires angewendet und
Freigebung der städtischen Verwaltung; Einsetzung von Cantonalräthen oder
Erweiterung der Befugnisse der Arrondissementsräthe; eine umfassendere Wirk-
samkeit der Generalräthe; Umlegung der Wahlbezirke auf Grundlage der
Arrondissements; Einführung von Versammlungen, in welchen die Departe-
ments gruppenweise vertreten sind; Umwandlung der Präfectur-Collegien in
Verwaltungs-Gerichtshöfe; Herabsetzung der Caution, Abschaffung des Stem-
ges und vollkommene Freiheit des Verkaufs auf offener Straße für die
eitungen.
9. „ Der Bischof von Orleans, Msgr. Dupanloup, tritt eine Rund-
reise an die deutschen Bischofssitze an, um sich mit den deutschen Bischöfen
über die Haltung auf dem bevorstehenden Concil und gegenüber den
immer mehr hervortretenden Plänen der päpstl. Curie zu verständigen.
10. „ Der Kaiser, wieder so ziemlich hergestellt, besucht Paris von
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