Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

92 Preußen und der norddeutsche Pund. 
daß sie den casus foederis für eingetreten erachten und demgemäß 
ihre sämmtlichen Streitkräste dem Oberbefehle des Königs von Preußen 
unterstellen. . 
21. Juli. (Nordd. Bund). Der Reichstag genehmigt den geforderten 
Kriegscredit auch in dritter Lesung einstimmig, ebenso ein Gesetz 
wegen Errichtung von Darlehenskassen und beschließt (gegen die 
Stimmen der Fortschrittspartei), die Legislaturperiode des gegen- 
wärtigen Reichstags für die Dauer des Krieges mit Frankreich, je- 
doch nicht über den 31. December 1870 hinaus zu verlängern. 
Graf Bismarck erklärt den Schluß des Reichstags und spricht dem- 
selben im Namen des Königs den tiefen und herzlichen Dank aus 
für die Einmüthigkeit und Schnelligkeit in der Erledigung der Ge- 
schäfte, mit welcher er den Regierungen zu Hilfe gekommen sei. 
Der König stellt für den bevorstehenden Krieg das eiserne Kreuz 
der Befreiungskriege wieder her. 
Das gesammte Bundesgebict wird vom König in fünf General- 
gouvernements eingetheilt. 
General Vogel v. Falkenstein übernimmt das Militärgouvernement in dem 
Bereiche des 1., 2., 9. und 10. Armeecorps (Preußen, Pommern, Schleswig- 
Holstein, Hannover), also in den Provinzen, in welchen eine Landung der 
Franzosen versucht werden kann, während General Herwarth von Bittenfeld in 
den Provinzen, die von den Franzosen zu Lande zunächst bedroht sind, eine 
gleiche Stellung bekommt. Der Sitz des Ersteren ist Hannover, der des Letz- 
teren Koblenz. Ein drittes Militärgouvernement umfaßt den Bereich des 3. 
und 4. Armeccorps (Brandenburg, Prov. Sachsen) und hat seinen Sitz in 
Berlin. Dasselbe ist dem General v. Bonin anvertraut. Ein viertes unter 
dem General v. Löwenfeld begreift die Bezirke des 5. und 6. Armeecorps 
(Posen, Schlesien) in sich und hat seinen Sitz in Breslau. Ein fünftes endlich 
endlich ist für das 12. Armeccorps errichtet und hat seinen Sitz in Dresden. 
Im Jahre 1866 war eine derartige Vorkehrung nicht getroffen worden. 
„ „ (Preußen). Der König ordnet auf den 27. ds. Mts. einen 
allgemeinen außerordentlichen Bettag an: 
„Ich bin gezwungen. in Folge eines willkürlichen Angriffs das Schwert zu 
ziehen, um denselben mit aller Deutschland zu Gebote stehenden Macht abzu- 
wehren. Es ist mir eine große Beruhigung vor Gott und den Menschen, daß 
ich dazu in keiner Weise Anlaß gegeben habe. Ich bin reinen Gewissens über 
den Ursprung dieses Krieges und der Gerechtigkeit unserer Sache vor Gott 
gewiß. Es ist ein ernster Kampf, den es gilt, und er wird meinem Volke und 
ganz Deutschland schwere Opfer auflegen. Aber ich ziehe zu ihm aus im Auf- 
blicke zu dem allwissenden Gott und mit Anrufung seines allmächtigen Bei- 
standes. Schon jetzt darf ich Gott dafür preisen, daß vom ersten Gerücht des 
Krieges an durch alle deutschen Herzen nur ein Gefühl rege wurde und sich 
kund gab, das der Entrüstung über den Angriff und der freudigen Zuver- 
sicht, daß Gott der gerechten Sache den Sieg verleihen werde. Mein Volk 
wird auch in diesem Kampfe zu mir stehen, wie es zu meinem in Gott ruhen- 
den Vater gestanden hat. Es wird mit mir alle Opfer bringen, um den 
Völkern den Frieden wieder zu gewinnen. Von Jugend auf habe ich vertrauen 
gelernt, daß an Gottes gnädiger Hilfe alles gelegen ist. Auf ihn hoffe ich 
und fordere ich mein Volk auf zu gleichem Vertrauen. Ich beuge mich vor 
Gott in Erkenntniß seiner Barmherzigkeit und bin gewiß, daß meine Unter- 
thanen und meine Landsleute es mit mir thun. Demnach bestimme ich, daß
	        
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