110 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Katholiken in Bonn beräth über die Mittel, welche geeignet sein
möchten, die Bewegung gegen die neuen römischen Dogmen zu ver-
allgemeinern und durch ganz Deutschland besser zu organisiren.
15. April. (Bayern.) Auch eine große Zahl Professoren der Universität
Würzburg erklären sich in einer Zuschrift an Döllinger entschieden
für den von ihm gewagten Schritt. — In München treten Magistrat
und Gemeindebevollmächtigte fast einstimmig der sog. Museumsadresse
v. 10. d. M. bei. — Dagegen erläßt der Erzbischof von München
einen langen Hirtenbrief behufs Widerlegung der Museumsadresse.
16. „ (Deutsches Reich.) Das Gesetz, betr. die Verfassung des
deutschen Reichs, das am 20. d. M. publicirt wird, erlangt am
4. Mai Gesetzeskraft.
„ „ (Elsaß-Lothringen.) Nachdem schon mehrere Tage früher für
Oberelsaß eine Versammlung von Vertrauensmännern in Colmar statt-
gefunden, tritt in Straßburg eine größere von 150 Delegirten und
Notabeln des Unterelsasses zusammen, um bei den bevorstehenden Ver-
handlungen des Reichstags über Elsaß-Lothringen die Wünsche des
Landes zur Geltung zu bringen. Dieselben werden ziemlich ein-
stimmig dahin formulirt:
1) Von dem Reichsland Elsaß-Lothringen möge kein Stück zu Gunsten
eines süddeutschen Staats losgelöst werden. 2) Ausdehnung der Befugnisse
der bisherigen Generalräthe, und Erweiterung der Communalfreiheiten.
2) Beibehaltung der Civilgesetzgebung — Verbesserungen im Procedurwesen
— Einführung des deutschen Handelsrechts und der Strafgesetzgebung. 4) Bei-
behaltung der nöthigen Gerichtshöfe mit elsäßischen Richtern. 5) Aufhebung
oder Vereinfachung der Enregistrements-Steuern. 6) Allgemeine Amnestie für
politische Vergehen und fünfjährige Frist zur Wahl der Nationalität. 7) Auf-
hebung des Kriegszustands. 8) Wiederherstellung des secundären Unterrichts
und Gründung einer Universität in Straßburg mit einigen französischen Lehr-
stühlen. 9) Aufhebung der Departementseintheilung und Vertheilung der
Departementsschulden auf die Kreise. 10) Baldmöglichste, wenigstens ab-
schlagsmäßige, Vergütung der Kriegsschäden. 11) Wahrung der Pensions-
rechte sowie der Depositengelder in Spar- und Hilfscassen. 12) Baldige Auf-
schlüsse über die Bestimmungen, welchen die käuflichen Stellen (Notariate u. s. w.)
unterliegen werden; Entschädigung bei eventueller Aufhebung derselben.
13) Möglichste Aufschiebung der Militärpflichtigkeit. Wahrung der Interessen
des Handels und der Industrie, mit besonderem Wunsche der sofortigen Ein-
verleibung des Elsaßes in den Zollverein und Aufhebung der Eingangszölle
sowohl für Fabrikate als für Landesproducte, wie Tabak und Wein. 15) Zu-
lassung der Elsäßer zu den öffentlichen Stellen. 16) Officielle Veröffentlichungen
mögen in beiden Sprachen stattfinden. In den an die Administration gerichteten
Schriftstücken möge die französische Sprache erlaubt sein. — Die Verhand-
lungen werden französisch geführt. Die deutsche Behörde hat sich dabei gänzlich
ferne gehalten. Die Versammlung ist sichtlich befriedigt und gewissermaßen
freudig überrascht, in allen diesen Fragen frei verhandeln und Wünsche aus-
sprechen zu dürfen, von denen sie gewiß sein konnte, daß sie ihre Berück-
sichtigung finden würden. Eine Commission von 4 Mitgliedern wird mit der
Vertretung der gefaßten Beschlüsse beauftragt und allgemein der Entschluß
gefaßt, von nun an häufiger solche Vereinigungen in den einzelnen Cantonen
zu veranstalten.