8 Allgemeine Chronik.
nach Versailles berufen. Graf Tauffkirchen, der bayr. Gesandte, übernimmt
statt seiner die Vertretung des deutschen Reichs.
25. Febr. (Frankreich.) Hr. Thiers ernennt Pouyer Quertier, den großen Rouener
Fabrikanten und eines der Häupter der Schutzzollpartei, zu seinem Finanz-
Minister.
26. „ (Deutsch-franz. Krieg.) Abschluß der Friedenspräliminarien zwischen
Deutschland und Frankreich in Versailles und weitere Verlängerung des Waffen-
stillstandes behufs Ratification der Präliminarien durch die Nat.-Versammlung
in Bordeaux (s. Beilage).
„ „ (Oesterreich-Ungarn: Oesterreich.) Ein Parteitag der deutsch-liberalen
Partei in Wien, der von 200 Männern aus allen Kronländern besucht ist,
beschließt fast einstimmig eine Resolution, welche der in ihrem Innersten offenbar
verfassungsfeindlichen Regierung die entschiedenste Gegnerschaft erklärt und den
Föderalismus unter jeder Form perhorrescirt.
„ „ (Frankreich.) In Paris legt die Nationalgarde der Arbeitervorstädte Be-
schlag auf eine Anzahl Kanonen „um sie nicht den Preußen in die Hände
fallen zu lassen" und nimmt sie in ihren eigenen Gewahrsam.
27. „ (Oeutschland und Rußland.) Telegrammenwechsel zwischen den beiden
Kaisern: „Preußen wird niemals vergessen, daß es Ihnen (dem Kaiser von
Rußland) zu verdanken ist, wenn der Krieg nicht die äußersten Dimensionen
angenommen hat.“
„ „ (Deutschland: Bayern.) Eine sehr einläßliche Entschließung des Cultus-
ministers v. Lutz lehnt das Begehren des Bischofs von Augsburg um Bei-
hülfe des Staats gegen den von ihm wegen Nichtanerkennung der päpstlichen
Unfehlbarkeit abgesetzten Pfarrer Renftle von Mering, der von der Mehrheit
seiner Gemeinde unterstützt wird, ab, ebenso aber auch die weitergehenden Be-
gehren des Pfarrers und seiner Gemeinde.
„ „ (Frankreich.) Die Regierung kündigt den Parisern die theilweise und
vorübergehende Besetzung der Stadt durch deutsche Truppen an.
28. „ (Frankreich.) Thiers langt von Versailles in Bordeaux an, ruft sogleich
die Nat.-Versammlung zusammen und legt ihr die vereinbarten Friedenspräli-
minarien vor. Diese beschließt auf seinen Antrag, daß die Abtheilungen noch
am Abend zusammentreten und die Nat.-Versammlung schon am folgenden
Tage in die Berathung der Vorlage eintreten werde.
1. März. (Deutsch-franz. Krieg.) Ein Theil der deutschen Armee zieht in Paris
ein (weder der Kaiser, noch Moltke, noch Bismarck sind dabei) und besetzt die
durch specielle Vereinbarung bestimmten Theile der Stadt.
„ „ (Frankreich.) Nat.-Versammlung: Debatte über die Friedenspräliminarien.
Ein Zwischenfall ruft die förmliche Thronabsetzung Napoleons III. und seiner
Dynastie hervor. Die Präliminarien werden mit 546 gegen 107 Stimmen
angenommen.
2. „ (Rom.) Der Papst protestirt in einem Breve an den Cardinal Patrizi,
seinen Generalvicar, gegen die Anfechtungen des Jesuitenordens und weist das
ital. Garantiegesetz seinerseits zurück.
3. „ (Deutsch-franz. Krieg.) Die Ratificationen der Friedenspräliminarien
werden in Versailles ausgetauscht. Paris wird in Folge davon von den
deutschen Truppen wieder geräumt und die deutsche Armee erhält den Befehl,
dem Vertrage gemäß den Marsch hinter die Seinelinie anzutreten.
„ „ (Deutsches Reich.) Allgemeine Wahlen zum ersten Reichstag des geeinigten
Deutschlands. In Norddeutschland machen die Clericalen große Anstrengungen
und erringen überraschende Erfolge. In Bayern unterliegt dagegen die patrio-
tisch-clericale Partei. Im Ganzen halten sich die mehr liberalen und die
mehr conservativen Elemente im künftigen Reichstage so ziemlich das Gleich-
gewicht; eher ist ein Ueberwiegen der ersteren als der letzteren vorauszusehen.