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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
den Antrag stellen, der Vorlage eine neue Gestalt zu geben, bei welcher die
persönliche Mitwirkung des Bundeskanzlers ausgeschlossen ist. Es widerstrebt
meinem persönlichen Ehrgefühl, unter dieser Creditloserklärung in die mir
zugedachte Stellung einzutreten. Es läßt sich ja sehr leicht eine andere Ein-
richtung finden: Se. Majestät der Kaiser kann ja einen verantwortlichen
Minister für Elsaß und Lothringen ernennen, der dies übernimmt; ich habe
als Bundeskanzler eigentlich dazu keinen nothwendigen Beruf. Ich habe dazu
mein Amt nicht übernommen, um diese Verantwortung für die Dictatur in
diesem großen und bedeutsamen Moment und in diesem Lande zu tragen, wenn
sie mir nicht so übergeben wird, daß ich vor das Land treten und sagen kann:
ich komme mit dem vollen Vertrauen des Deutschen Reiches ausgerüstet. Hat
man das Bedürfniß, mir Cautelen gegenüber zu stellen, als ob man befürchtet,
ich könnte mit den Schätzen dieses Landes irgend welchen Mißbrauch treiben
— ich spreche von mir, denn so lange ich Kanzler bin, kann ohne meine Mit-
wirkung nichts geschehen; die Sache ist gegen meine Person gerichtet, denn ich
kann nach der Lage der Dinge in der Frage nicht majorisirt werden, ohne
Zustimmung des Kaisers ist kein Gesetz möglich — ich bin sehr gern bereit,
jeden Dienst zu leisten, den das Land noch aus mir ziehen kann; aber geben
Sie mir die Möglichkeit, daß ich ein solches Amt mit Freudigkeit übernehme,
und befreien Sie mich von diesem Votum, das ich nicht anders denn als
Mißtrauen bezeichnen kann. Lasker sucht dagegen in längerer Rede nachzu-
weisen, daß sein und Stauffenbergs Antrag keineswegs ein Mißtrauensvotum
gegen den Reichskanzler bezweckt habe und spendet dabei dem letzteren volle,
unbedingte Anerkennung für das, was er in der vorliegenden Frage gethan
und erreicht habe. Fürst Bismarck ergreift hierauf nochmals das Wort:
Ich ergreife zunächst das Wort, um einem Mißverständnisse entgegen zu treten,
zu welchem meine Aeußerung über Anerkennung dem Herrn Vorredner Anlaß
gegeben hat. Er schien zu glauben und ich würde es beklagen, wenn sich diese
Meinung festsetzte, — daß ich mich über Mangel an Anerkennung meiner
politischen Thätigkeit im Allgemeinen beklagt hätte — da wäre ich sehr un-
bescheiden, sie ist mir weit über mein Verdienst geworden, und ich fühle mich
durch die Anerkennung meiner Mitbürger von vielen Seiten her in hohem
Grade geehrt und befriedigt. Die Anerkennung, von der ich gesprochen habe
und die ich hier vermisse, ist lediglich die Anerkennung meines Bestrebens, das
Elsaß nicht mit unnöthigen Schulden zu belasten, und das hatte ich in einer
mehr ornamentalen Redeweise ausgesprochen. Daß ich geglaubt hatte, durch
meine Bemühungen Vertrauen — das wäre das richtige Wort — zu er-
werben; denn ich hätte ja leicht ein anderes Abkommen mit den Franzosen ab-
schließen können, das uns diese Erörterungen erspart hätte. Daß ich dieses
Vertrauen, welches ich glaubte mir erworben zu haben, hier nicht wiederfand,
diesen Eindruck kann selbst eine so geschickte Interpretation und ein so ge-
wandter Redner, wie der Herr Vorredner, mir nicht nehmen und nicht be-
seitigen. Es ist ja nicht das erste Mal, daß der Herr Vorredner und seine
Parteigenossen mir erklärt haben, daß sie unbedingtes Vertrauen zu mir hätten,
daß sie es aber in ihren Voten und Anträgen nicht zu bethätigen für gut
befunden haben, und die Thatsache bleibt auch hier für mich bestehen, was
auch erklärt sein mag. Die Herren mögen Vertrauen zu mir nach anderen
Richtungen haben, hier haben sie das Vertrauen zu mir nicht, sondern fühlen
das Bedürfniß, dem Elsaß gegenüber mich und die Verwaltung zu binden und
zu verhindern, daß wir nicht etwa Schulden machen; zugleich liegt darin eine
sachliche Tendenz, dem Reichstage die Attributionen und Functionen eines
elsässischen Landtages, der sehr wohl ins Leben treten kann, beizulegen. Es
ist viel zu früh, sich darüber zu entscheiden. Wenn der Herr Vorredner zu-
gibt, es könnten auf die Departements Schulden gemacht werden, so invalidirt
er dadurch seinen Antrag; aber wenn der Antrag so stehen bleibt, so könnten
auf die Departements keine Schulden gemacht werden; wenn aber Schulden