Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 163
verletzt schon allein durch die Verlegung des Gerichts an einen andern Ort.
Man wird nothwendig noch zu einer Abfindung dieser Leute schreiten müssen,
weil man ihnen so ohne weiteres doch ihr Privateigenthum nicht ohne alle
Entschädigung entziehen kann. Das berührt eine andere Frage, die Schuld-
frage. Es werden dazu Geldmittel nöthig sein, die herzugeben den Departe-
ments in ihrem Interesse vielleicht nicht so leicht sein wird. Aber dieser eine
Blick auf die Sache zeigt Ihnen, wie vielseitige Interessen dort von Hunderten
von Familien und Ständen und Individuen durch so eine einzige Maßregel berührt
werden. Das alles kann am grünen Tisch vollständig berechnet werden, wie eine
strategische Operation, die gleichzeitig nach vielen Richtungen hin vorgeht;
wird aber ein einziger Punkt herausgenommen, so paßt das Ganze nicht mehr,
und es würde eine schwierige Aufgabe für den Reichstag sein, und eine volle
Jahressitzung in Anspruch nehmen, wenn wir diese organisatorischen Gesetze
im vollen Plenum mit Ihnen vornehmen wollten. Also in Ihrem eigenen
Interesse lassen Sie uns etwas länger freie Hand. Es würde zu Ihrem Be-
dauern und nicht zu unserer Freude sein, daß wir Sie zu diesen Sitzungen
berufen müßten, die nothwendig wären, um über alle diese Details, welche
geordnet werden müßten, parlamentarisch zu verhandeln, wenn Sie uns eben
nicht die Zeit lassen, sie mit Besonnenheit zu erledigen, oder uns zwingen, sie
mit einer Hast zu erledigen, bei der das Interesse des Landes leidet. Der
Vorredner hielt mir vor, daß ich diese Frage — und ich schmeichle mir, ihn
jetzt überzeugt zu haben, daß es doch nicht reiner Eigensinn ist, wenn ich mich
fest dafür einsetze — zu erledigen gesucht habe durch den Druck einer, nennen
wir es kurz, Cabinetsfrage; das trifft so ganz doch nicht zu. Ich meine doch,
ich habe nicht gesagt: wenn Sie so und so votiren, will ich nicht mehr Bundes-
kanzler sein; da habe ich, ehe ich resignire, doch noch andere Pflichten, als
gegen das Elsaß allein in Erwägung zu ziehen — ich habe nur gesagt: daß,
wenn die Aufgabe, die dort irgend einem Mann übertragen werden soll, so
eingerichtet werden soll, dann wünsche ich von ihrer Uebernahme dispensirt zu
sein, und das kann man doch, ehe man ein solches Amt übernimmt, sagen
und seine Bedingungen stellen, ohne daß darin ein unmittelbarer, und ich
möchte sagen, außerhalb der Sache liegender Druck auf die Entschließung der
Betheiligten liegt. Ich möchte die Herren dringend bitten, aus einer vielleicht
nicht ausreichend vorbereiteten Art, in der ich meine Meinung mitunter ver-
trete, namentlich da, wo ich nach einer längeren theils geographischen, theils
sachlichen Abwesenheit und Nichtbetheiligung an Ihren Geschäften zurückkehre,
aus der Art, wie ich in unvorbereiteter Lage eine Sache vertrete, nicht sofort
Schlüsse auf tiefer gehende Verstimmung zu ziehen, und einer Reizbarkeit
unter Umständen etwas zu gute zu halten, ohne die ich nicht im Stande
wäre, Ihnen und dem Lande Dienste zu leisten. (Bravo !) Das Recht etwas
ermüdet zu sein, wird mir auch der Herr Vorredner nicht absprechen wollen.
(Lebhafter Beifall.) Fürst Bismarck, später nochmals das Wort ergreifend:
Ich habe nicht an dem guten Willen des Reichstags gezweifelt, die Interessen
des Elsaßes eben so warm und schonend wahrzunehmen, wie die Regierung,
wohl aber an der Möglichkeit, daß eine Versammlung von nahe an 400 Mit-
gliedern mit sehr verschiedenen Meinungen und politischen Interessen im
Stande sein würde, es eben so gut zu thun. Ein anderes Mißverständniß,
auf das ich nach den Worten des Vorredners (Lasker) schließe, möchte ich
ebenfalls berichtigen. Ich halte die Betheiligung von Elsässer Abgeordneten
am Reichstage noch nicht identisch mit der Einführung der Reichsverfassung
in Elsaß und Lothringen. Ich sprach ausdrücklich von einer Art Lehrcursus,
von Bekanntwerden, will ich lieber sagen, mit deutschen Verhältnissen, und
auch von der Möglichkeit einer Beschwerde-Instanz für die Regierungen. In
dem Gesetze selbst ist ja vorgesehen, daß einzelne Theile der Reichsverfassung
im Elsaß eingeführt werden können, wenn die Zeit dazu gekommen erscheint.
Ebenso könnten ja, als solche einzelne Theile das Wahlrecht, die Betheiligung
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