Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

                   Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.                             215 
an, die für Deutschland erworbenen Gebiete mit denjenigen Einrichtungen in 
den Haushalt des Reiches einzufügen, welche ihnen mit dem Reiche gemeinsam 
sind oder ihnen von letzterem gewährt werden. Es kommt darauf an, dafür 
Sorge zu tragen, daß die äußere Lage der Beamten des Reiches den An- 
forderungen entspreche, welche im öffentlichen Interesse an sie gestellt werden 
müssen. Ich hatte gehofft, daß Ihnen auch ein Etat für die Verwaltung 
des deutschen Heeres, wie er den dauernden Bedürfnissen desselben genügt, 
würde vorgelegt werden können. Der Umfang, in welchem die durch den 
Krieg veranlaßten Arbeiten alle Kräfte der Verwaltung auch über die Dauer 
des Krieges hinaus in Anspruch genommen haben, und die Umgestaltung, in 
welcher ein Theil des Heeres begriffen ist, haben leider die rechtzeitige Auf- 
stellung dieses Etats verhindert. Ich bin daher genöthigt, Ihre Zustimmung 
dafür in Anspruch zu nehmen, daß die Uebergangszeit, welche die Reichs- 
verfassung bis zum Schlusse des laufenden Jahres für den Militär-Etat be- 
stimmt, noch auf das kommende Jahr ausgedehnt werde. Der 
Ihnen vorzulegende Etat verlangt von den Bundesstaaten keine höheren Bei- 
träge für die Zwecke des Reiches, als der jetzt geltende. Der Haushalt des 
Jahres 1870 hat, ungeachtet der Wirkungen des Krieges, einen Ueberschuß 
gelassen, wegen dessen Verwendung Ihnen eine Gesetzvorlage zugeht. Die 
Ordnung des Münzwesens, welche die Verfassung dem Reiche überweist, hat 
seit Jahren die Sorge der Regierungen in Anspruch genommen und das In- 
teresse des Volks beschäftigt. Ich habe den Augenblick für gekommen gehalten, 
um den Grund für diese Ordnung zu legen, nachdem eine ganz Deutschland 
umfassende Regelung des Münzwesens möglich geworden ist und die wirth- 
schaftlichen Verhältnisse für dieselbe niemals günstiger waren, als jetzt. Der 
Bundesrath ist mit der Berathung einer Gesetzvorlage beschäftigt, welche zunächst 
eine umlaufsfähige Goldmünze schaffen und die Grundzüge eines gemeinsamen 
deutschen Münzwesens feststellen soll. Die Sicherung einer  Eisenbahnver- 
bindung zwischen Deutschland und Italien durch die Schweiz, welche 
bereits im verflossenen Jahre von dem norddeutschen Reichstag beschlossen wurde, 
wird Gegenstand Ihrer Berathungen werden. Die Regierungen und die Volks- 
vertretungen Italiens und der Schweiz haben die Ausführung dieses großen 
Unternehmens bereitwillig unterstützt. Ich bin gewiß, daß die mit demselben 
verbundenen wirthschaftlichen und politischen Interessen von den deutschen Re- 
gierungen und dem deutschen Reichstage nicht geringer werden gewürdigt wer- 
den, als Dieß in den beiden anderen Ländern geschehen ist. Die Gewährung 
einer billigen Ausgleichung für die Beschränkungen, welchen die in den Bereich 
neuer oder erweiterter Festungsanlagen gezogenen Grundstücke unterworfen 
werden müssen, ist von den verbündeten Regierungen von Neuem zum Gegen- 
stande der Berathungen gemacht worden. Als Ergebniß derselben wird Ihnen 
eine Gesetzvorlage zugehen. Auch der Entwurf eines Gesetzes über die Reichs- 
beamten wird, wie ich hoffe, Ihnen vorgelegt werden können. Die von Frank- 
reich bisher gezahlte und in den ersten Monaten des künftigen Jahres zu 
zahlende Kriegsentschädigung wird zu einem wesentlichen Theile zur 
Tilgung der Anleihen verwendet werden, welche der norddeutsche Bund für die 
Kriegführung gemacht hatte. Für einen Theil dieser Anleihen ist die Tilgung 
bereits erfolgt oder durch Kündigung vorbereitet, für einen Theil bedarf sie 
Ihrer Zustimmung. Es wird Ihnen deßhalb eine Vorlage zugehen. Im 
Vertrauen auf eine stetige Fortentwicklung der innern Zustände Frankreichs 
im Sinne der Beruhigung und Befestigung habe ich es für thunlich gehalten, 
die Räumung der Departements, deren Besetzung nach den Friedensbedingungen 
bis zum Mai künftigen Jahres in Aussicht genommen war, schon jetzt eintreten 
zu lassen. Die Bürgschaften, welche an Stelle des aufgegebenen Pfandes treten, 
werden Sie aus dem am 12. d. M. darüber geschlossenen Abkommen er- 
sehen, und mit demselben wird Ihnen zu Ihrer Prüfung und verfassungs- 
mäßigen Genehmigung eine Convention über die Zugeständnisse vorgelegt wer-
	        
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