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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Resultat derselben und nach Gehör des Landesculturraths, der Handelskammern
und vieler andern mit den Verhältnissen vertrauter Corporationen und Per-
sonen wird Ihnen ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, von dem Ich hoffe, daß
er, indem er das Erreichbare in dieser schwierigen Materie anstrebt, eine Basis
zu einer Vereinigung der gesetzgebenden Factoren abgeben wird. . . “
2. Dec. (Baden.) II. Kammer: genehmigt eine Antwortsadresse an den
Großherzog mit allen gegen die 8 clericalen und die 3 democratischen
Stimmen, welche beide Fractionen eigene Entwürfe eingebracht haben.
5. „ (Sachsen.) II. Kammer: Die Budgetvorlage für 1872 weist
den Wegfall der bisherigen Gesandtschaften in Frankreich, Italien,
Rußland und Sachsen-Weimar auf.
6. „ (Elsaß-Lothringen.) Der clericalen Berliner „Germania“
sowie einigen südd. ultramontanen Blättern wird der Postdebit nach
den neuen Reichslanden entzogen.
7. „ (Deutsches Reich.) Der. Reichskanzler richtet in Folge der
muthwilligen Tödtung deutscher Soldaten und der Freisprechung der
Mörder durch franz. Schwurgerichte als Verwarnung für Frankreich
eine sehr energische Depesche an den Grafen Arnim, den Vertreter
des deutschen Reichs bei der franz. Regierung, zur Mittheilung an
diese und zwar in deutscher Sprache:
„ . . . Wenn Verbrechen, wie vorbedachter Mord, ungesühnt bleiben, so
liegt es dem verletzten öffentlichen Gefühle nahe, weil Gerechtigkeit nicht zu
erlangen ist, nach Repressalien zu verlangen. Wäre es für uns möglich, uns
auf den Standpunkt der Rechtspflege von Paris und Melun zu stellen, so
würde das Jus talionis dahin führen, daß auch unsererseits die Tödtung von
Franzosen, wenn sie im Bereiche unserer Gerichtsbarkeit vorkommt, eine Strafe
nicht mehr nach sich zöge. Der Grad der sittlichen Bildung und das ehr-
liebende Rechtsgefühl, welche dem deutschen Volke eigen sind, schließen eine solche
Möglichkeit aus. Wohl aber wird es nach jenen Vorkommnissen schwierig sein,
die öffentliche Meinung in Deutschland, wenn ähnliche Verbrechen wieder ver-
übt werden sollten, mit dem Hinweise auf die französische Rechtspflege zu be-
friedigen. Als Maßregel unmittelbarer Abwehr haben deßhalb unsere Truppen-
Befehlshaber im Bezirke der Occupation durch Erklärung des Belagerungs-
zustandes die Militärgerichtsbarkeit für Verbrechen gegen die Truppen sichern
müssen. Die Fälle, in welchen die sofortige Verhaftung des Thäters thunlich
ist, werden deßhalb zu internationalen Schwierigkeiten keinen Anlaß mehr
geben. Aber jedes Verlangen nach Auslieferung, welches wir zu stellen ge-
nöthigt sein könnten, wird die öffentliche Meinung in Frankreich erregen und
verstimmen. Wir haben deßhalb, nachdem die durch uns verlangte Aus-
lieferung Tonnelet's und Bertin's abgelehnt worden war, im Vertrauen auf
die Rechtspflege Frankreichs damals nicht auf unserer Forderung bestanden.
In Zukunft aber würden wir der Entrüstung der deutschen Bevölkerung gegen-
über eine ähnliche Zurückhaltung nicht beobachten können, sondern wir würden
bei Verweigerung einer derartigen Auslieferung genöthigt sein, durch Ergreifung
und Wegführung französischer Geiseln, äußerstenfalls auch durch
weitergehende Maßregeln auf Erfüllung unseres Verlangens hinzu-
wirken — eine Eventualität, der überhoben zu sein wir auf das lebhafteste
wünschen. Abgesehen von den Gefahren für unsere gegenseitigen Beziehungen,
welche wir in dieser Richtung besorgen müssen, geben die Vorgänge von Melun
und Paris uns ein Zeugniß von der Stimmung auch der gebildeteren und
wohlhabenderen Volksclassen gegen Deutschland, welches auf unser künftiges
Verhalten im Interesse unserer eigenen Sicherheit nicht ohne Einfluß bleiben